Gastbeitrag von Wirtschaftsminister Brüderle "Wir brauchen Zuwanderer"

Düsseldorf (RP). Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schreibt in einem Gastbeitrag für unsere Redaktion über den Aufschwung in Deutschland und warum Deutschland für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum auf ausländische Fachkräfte angewiesen ist.

Das ist Rainer Brüderle
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Die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zeigt: Der Aufschwung ist in vollem Gang. Wir erwarten für Deutschland im Jahr 2011 ein Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent; es wird sich im kommenden Jahr mit 1,8 Prozent fortsetzen. Keine Frage: Die deutsche Wirtschaft hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich besser gemeistert als jedes andere vergleichbare Industrieland.

Diese konjunkturelle Entwicklung ist durchaus ein Grund zur Freude. Auf unseren Erfolgen dürfen wir uns allerdings nicht ausruhen. Jetzt geht es darum, Deutschland für ein langfristiges und stabiles Wachstum fit zu machen. Wir müssen unser Wachstumspotenzial ausschöpfen, um unser Land nachhaltig zu stärken. Zahlenmäßig ist das Wachstumspotenzial ein statistisches Konstrukt, das nicht unmittelbar gemessen werden kann. Es wird mithilfe mathematischer Verfahren geschätzt. In der Sache geht es darum, zu testen, wie leistungsfähig eine Volkswirtschaft sein kann, wenn es seine Produktionsfaktoren wie Arbeit, Kapital und Innovationskraft optimal nutzt.

In den letzten Jahren ist es uns gelungen, dieses Potenzialwachstum von seinem Tiefpunkt bei etwa einem Prozent wieder auf aktuell 1,4 Prozent zu heben. Aber: Anfang der 90er Jahre lag es noch bei etwa zweieinhalb Prozent. Die Botschaft dieser Zahlen ist eindeutig: Wir müssen uns anstrengen, um unsere Wachstumsgrundlagen zu stärken und damit die Spielräume für mehr Wachstum zu erhöhen. Dafür gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte.

Ein wichtiger Baustein für langfristiges Wachstum ist die Mobilisierung von Arbeitskräften. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Deutschland nimmt immer weiter ab. Hier müssen wir gegensteuern, um den Wohlstand für uns und unsere Kinder zu sichern. Deshalb geht es jetzt darum, das große Potenzial von Frauen, älteren Menschen sowie Menschen mit Migrationshintergrund weit stärker zu nutzen als bisher. Ich habe daher beispielsweise einen Pakt mit der Wirtschaft vorgeschlagen, um das weibliche Führungskräftepotenzial in Deutschland zu aktivieren und qualifizierte Frauen verstärkt in die Führungsetagen der Unternehmen zu bringen. Ähnlich wie beim erfolgreichen Ausbildungspakt wird ein solcher Pakt auch ohne Zwang und ohne staatliche Quote funktionieren. Davon bin ich überzeugt.

"Frauenquote ohne Zwang"

Gleichzeitig muss unser Land noch attraktiver für ausländische Fachkräfte werden. Wir heißen hoch qualifizierte Zuwanderer in Deutschland willkommen. Schließlich müssen wir die Flexibilität des Arbeitsmarktes insgesamt erhalten und ausbauen. Es gilt, das Instrumentarium der Arbeitsmarktpolitik effizienter zu gestalten. Die Erfahrung zeigt, eine hohe Belastung von Arbeitnehmereinkommen mit Steuern und Abgaben bremst den Arbeitskräfteeinsatz und verringert so das Wachstumspotenzial.

Ein weiterer bedeutsamer Faktor für nachhaltiges Wachstum ist die Ermöglichung von Investitionen. Sie erhöhen den Kapitalstock und sorgen zugleich für einen produktiveren Einsatz der Arbeitskräfte. Ich denke dabei vor allem an die Rahmenbedingungen für private Investitionen. Staatliche Investitionen können das Wachstumspotenzial auf Dauer nicht erhöhen, denn sie beruhen ja maßgeblich auf vorher durch Steuern oder Verschuldung vereinnahmten Mitteln.

Deswegen werden wir zum Beispiel mit der anstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes die Investitionsanreize für den Ausbau hochleistungsfähiger Telekommunikationsnetze konsequent verbessern. Dabei werden wir die wettbewerblichen Strukturen beibehalten. Und wir wollen auch den Rahmen für die notwendigen Investitionen in unser Energiesystem der Zukunft optimal ausgestalten. Dazu gehören der mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien untrennbar verbundene Netzausbau, die Steigerung der Energieeffizienz sowie neue hocheffiziente und saubere konventionelle Kraftwerke.

Ein letztes wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist die Soziale Marktwirtschaft. Sie ist es, die Innovationen schafft. Technischer Fortschritt und der möglichst effiziente Einsatz der Produktionsfaktoren sind die zentralen Wachstumsquellen für Deutschland. Nur mit Wettbewerb und offenen Märkten können wir hier ein Optimum erreichen. In Deutschland hat sich dafür das System der Sozialen Marktwirtschaft erfolgreich bewährt. Wir stellen jetzt die Weichen für gute Wachstumsraten, auch in der Zukunft. Daran vor allem müssen wir wirtschafts- und finanzpolitische Vorschläge messen.

Unser Autor ist seit Oktober 2009 Bundeswirtschaftsminister.

(RP)
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