Nürnberg/Berlin Wenn das Amt den Glauben testet

Nürnberg/Berlin · Das Bundesamt für Migration überschreitet bei der Anhörung christlicher Konvertiten Grenzen. Kirchenvertreter sind entsetzt.

"Wie heißen die beiden Söhne im Gleichnis vom verlorenen Sohn?" Pfarrer Gottfried Martens aus Berlin-Steglitz kann diese Frage nicht beantworten. Sein iranischer Täufling noch weniger. Denn in der Bibel werden die Namen der beiden Söhne überhaupt nicht erwähnt. Der Iraner allerdings könnte deswegen nun in seine Heimat abgeschoben werden. Denn weil er in seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die kürzlich in Berlin stattfand, diese Frage nicht beantworten konnte, glaubte ihm das Amt nicht, dass er wirklich und aus voller Überzeugung zum christlichen Glauben konvertiert ist.

Ein Einzelfall? Mitnichten. Bei Pfarrer Martens häufen sich die Fälle von Konvertiten, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben. "Und fast immer finden sich in den Anhörungsprotokollen Belege dafür, dass Anhörer, Dolmetscher und Entscheider, also alle mit dem jeweiligen Fall betrauten Personen, selbst überhaupt keine Ahnung von dem haben, wonach sie fragen", sagt Martens. So verwechselte eine Anhörende das Apostolische Glaubensbekenntnis mit dem Vaterunser. Ein Dolmetscher übersetzte das Osterfest mit dem Begriff "Schweinefleischfest". Und ein Konvertit scheiterte an der Frage nach dem Geburtstag Martin Luthers - den vermutlich die wenigsten lutherischen Christen in Deutschland auf Anhieb nennen können. Andere, harmlosere Fragen waren: Sagt Ihnen der Ortsname Wittenberg etwas? Warum wird denn im Christentum gefastet? Oder: Welches besondere Ereignis hat dazu geführt, dass Sie sich als Christ fühlen?

Rund 1000 iranische und afghanische Flüchtlinge hat Martens in den vergangenen Jahren getauft. Alle erhielten einen mehrmonatigen Taufunterricht. Alle mussten am Ende eine Prüfung bestehen. Den immer wieder erhobenen Vorwurf, die Menschen kämen nur zu ihm, um als Konvertiten ein Bleiberecht zu erhalten, weist Martens zurück: "Ich habe aber den Eindruck, dass es im Bamf mittlerweile die Maßgabe gibt, Konvertiten besonders streng zu beurteilen. Zu Anfang wurden fast alle Täuflinge als asylberechtigt anerkannt - aber im letzten Sommer ist es dann gekippt." Damals hatte das Bundesamt zahlreiche neue Entscheider und Anhörer eingestellt. "Das ist in den Bescheiden spürbar", sagt Martens.

In Bayern erleben Kirchenvertreter Ähnliches. Auf der vor Kurzem in Nürnberg tagenden bayerischen Landessynode berichtete Oberkirchenrat Michael Martin nicht nur davon, dass sich in Bayern ebenfalls viele Flüchtlinge in der Landeskirche taufen ließen. Vielmehr führe auch dort das Bundesamt "Glaubensprüfungen" bei Flüchtlingen durch. "Unbestritten ist: Die Taufe gehört zum Kernbereich kirchlichen Handelns", sagte Martin vor der Synode. "Als solche ist sie einer staatlichen Überprüfung entzogen." Aus kirchlicher Sicht halte man fest, dass Glaube mehr sei als die Ansammlung von Faktenwissen. Deshalb könne er überhaupt nicht überprüft werden.

Vor der Synode berichtete Martin davon, dass einem Täufling aus Bayreuth dazu geraten wurde, seinen Glauben bei einer Abschiebung in den Iran zu verleugnen. "Völlig zu Recht fragte ein Täufling nach seiner Anhörung: ,Wie kann es sein, dass ein oft nicht christlicher Mitarbeiter des Bamf - übersetzt von einem muslimischen Afghanen - die Entscheidung über meinen Glauben fällt?'" In der anschließenden Debatte äußerte sich auch der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm: "Als ich davon gehört habe, war ich entsetzt." Dazu werde es eine Antwort der Landeskirche geben. "Es kann keine Glaubensprüfung durch Menschen geben, die dazu keine Kompetenz haben, und es kann auch nicht angezweifelt werden, dass die Menschen, die von der Kirche getauft werden, aus ernsthaften Motiven getauft werden."

Auf Nachfrage unserer Redaktion wollte sich das Bamf nicht zu den Fällen äußern. Ein Sprecher betonte jedoch, dass im Rahmen der persönlichen Anhörung die näheren Umstände des Glaubenswechsels geprüft würden: "Die Taufbescheinigung bestätigt, dass ein Glaubensübertritt stattgefunden hat, sie sagt aber nichts darüber aus, wie der Antragsteller seinen neuen Glauben bei der Rückkehr in sein Heimatland voraussichtlich leben wird und welche Gefahren sich hieraus ergeben."

Die Klärung dieser Frage sei Bestandteil der Anhörung. Der Entscheider müsse beurteilen, ob der Glaubenswechsel des Antragstellers aus "asyltaktischen Gründen" oder aus echter Überzeugung erfolgt sei. "Das Bundesamt zweifelt aber den durch Taufbescheinigung nachgewiesenen Glaubenswechsel an sich nicht an", so der Sprecher. Es werde generell unterstellt, dass eine sorgfältige Taufbegleitung vonseiten der Gemeinden erfolgt sei. "Für Befragungen in der Anhörung zur Konversion gilt, dass sie nicht auf ein reines Glaubensexamen hinauslaufen dürfen." Allerdings werde von einem Konvertiten durchaus erwartet, dass er ausführlich schildern könne, welche Beweggründe er für die Konversion hatte und welche Bedeutung die neue Religion für ihn habe.

(RP)
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