Wahlsieger in Schleswig-Holstein Machtpoker an der Kieler Förde

Berlin · Der CDU-Wahlsieger und die Liberalen in Schleswig-Holstein drängen die zögernden Küsten-Grünen, ein Jamaika-Bündnis zu wagen.

 Die CDU ging als klarer Wahlsieger hervor. FDP und Grüne erreichten zweistellige Ergebnisse.

Die CDU ging als klarer Wahlsieger hervor. FDP und Grüne erreichten zweistellige Ergebnisse.

Foto: Zörner

Der Machtpoker an der Küste hat begonnen. Nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ringt der CDU-Wahlsieger Daniel Günther um die Grünen, die er für eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition zum Regieren benötigt. Doch die Grünen zögern, sind stärker der SPD zugeneigt, die daraus einen Funken Hoffnung zieht, trotz der Wahlniederlage von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) eine Ampelkoalition aus FDP und Grünen anführen zu können. Die FDP hat eine Ampel gestern nur für den Fall der Beteiligung Albigs komplett ausgeschlossen. Für eine Ampel ohne Albig hat der FDP-Landesvorsitzende Wolfgang Kubicki dagegen ein Hintertürchen offengelassen.

Die CDU mit ihrem Newcomer, dem 43-jährigen Günther, errang bei der Wahl am Sonntag einen eindrucksvollen Sieg. Die Union lag mit 32 Prozent klar vor der SPD mit 27,2 Prozent. Grünen und FDP erreichten zweistellige Ergebnisse, die AfD 5,9 Prozent. Im neuen Landtag mit 73 Sitzen hätten nur die beiden Dreier-Bündnisse oder eine große Koalition die Mehrheit. Die will Daniel Günther aber möglichst vermeiden. Schließlich, so der Wahlsieger, hätten die Wähler einen klaren Regierungswechsel gewollt.

In Berlin sprach der Politikwissenschaftler gestern im Beisein der Kanzlerin von einem eindeutigen "Merkel-Effekt", der ihm Rückenwind aus Berlin gegeben habe. Am Morgen im CDU-Präsidium war die Zufriedenheit über Günthers Erfolg vor allem auch bei Merkel groß: Sein Sieg zeige, dass die CDU unter ihr als Kanzlerin nicht mehr weiter Bundesländer verlöre, hieß es.

Für die SPD sagte Fraktionschef Thomas Oppermann: "Die Wahl in Schleswig-Holstein zeigt, dass es bei den Wahlen immer mehr auf die letzten Tage vor der Wahl ankommt. Die SPD hat innerhalb weniger Tage massiv verloren, die CDU gewonnen." Einen Amtsbonus habe Albig nicht gehabt. "Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass mehr über das Privatleben von Torsten Albig geredet wurde als über die Themen der SPD", sagte Oppermann.

Im Ringen um die künftige Regierung an der Kieler Förde haben FDP und Grüne ihre Schachfiguren aufgestellt. Beide signalisierten sich gegenseitig, dass sie schon gut miteinander könnten. Beide sehen zudem davon ab, irgendetwas förmlich "auszuschließen". Den ersten Zug machte gestern FDP-Spitzenkandidat Kubicki mit der Festlegung, dass eine Ampel-Koalition unter Leitung Albigs für ihn nicht in Frage komme.

Damit verbaut er sich nicht den Manövrierraum, zur Not einen anderen SPD-Politiker zu unterstützen. "Wer Albig zuhört, lernt Stegner schätzen", meinte Kubicki in Richtung des SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner. Gleichzeitig machte er jedoch klar, dass für ihn die Wahrscheinlichkeit einer Ampelkoalition "gegen Null" tendiere.

Die Grünen wissen als drittstärkste Partei mit Regierungserfahrung, dass sie ihre Positionen nicht so einfach räumen müssen. "Das kann sehr lang werden", meinte Spitzenkandidatin und Finanzministerin Monika Heinold. Sie lässt auch nach außen hin nichts auf Albig kommen, der mit seinen Interview-Äußerungen über seine gescheiterte Ehe, in der seine Frau nicht mehr auf Augenhöhe mit ihm gewesen sei, für viele Schleswig-Holsteiner unwählbar geworden war.

Demonstrativ versicherte Heinold, Albig in den Jahren der gemeinsamen Regierung immer "auf Augenhöhe" erlebt zu haben. Problematisch würden die Sondierungen aus Sicht der Grünen, weil die FDP in Schleswig-Holstein "sehr konservativ" aufgestellt sei, jedenfalls nicht in Richtung ökologische Erneuerung denke.

Torsten Albig: Ein Politstratege für die SPD
8 Bilder

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Mit einer Umarmungsstrategie versuchte wiederum Kubicki, die Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen zu begleiten. Mit dem grünen Umweltminister Robert Habeck verstehe er sich seit Langem gut. Sie hätten sich auch schon am Wahlabend ausgetauscht und festgestellt, dass sie beide im NRW-Wahlkampf ihre jeweiligen Parteifreunde unterstützten und zufällig zur selben Zeit am selben Ort seien. Da würden sie sich sicherlich zusammensetzen und bei einem Glas Biowein über die Zukunft Schleswig-Holsteins sprechen.

Zudem griff Kubicki die Großplakate der Grünen in der Schlussphase des Wahlkampfes auf, wonach die Grünen wählen müsse, wer wolle, dass der Grünen-Star Habeck Minister bleibe. Er sei gespannt, wie die Grünen dieses Wahlversprechen nun einlösen wollten.

Der frühere Bundesumweltminister und Parteilinke Jürgen Trittin machte seine Präferenz deutlich. "In einer solchen Situation müssen Demokraten miteinander sprechen. Diese Sondierungen werden nicht einfach", sagte Trittin unserer Zeitung. "Die Differenzen mit der CDU sind in zentralen Fragen groß. Die CDU hat von Energiewende bis zur Einwanderungspolitik rote Linien gezogen, die sie nur schwer wieder räumen kann", sagte er. "Am Ende kommt es für uns darauf an, wo wir am meisten klare grüne Politik durchsetzen können. Deshalb haben die Küsten-Grünen die Ampel als wahrscheinlicher bezeichnet."

(mar / may-)
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