Vor Reise in die Türkei Merkel kritisiert Umgang Ankaras mit den Kurden

Berlin · Vor ihrem Besuch in der Türkei am Montag hat sich die Bundeskanzlerin kritisch zum Umgang des Landes mit den Kurden geäußert. Dabei ging es auch um die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten.

Recep Tayyip Erdogan: Das ist der türkische Staatspräsident
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Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert den Beschluss des türkischen Parlaments, gut einem Viertel der Abgeordneten die Immunität gegen strafrechtliche Verfolgung abzuerkennen. Dies sei "mit schwerwiegenden Folgen" für kurdische Politiker verbunden, und der Vorgang erfülle sie "mit großer Sorge", sagte die CDU-Vorsitzende der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".

Merkel monierte, dass die Aussöhnung mit den Kurden 2015 "abgebrochen" sei. "Wir wollen, dass die kurdische Bevölkerung ihren gleichberechtigten Platz und eine gute Zukunft in der Türkei hat." Zugleich betonte sie, dass die kurdische Arbeiterpartei PKK auch aus deutscher Sicht eine terroristische Vereinigung sei.

Merkel kündigte an, dass sie bei ihrem Türkei-Besuch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Montag über "alle wichtigen Fragen" sprechen werde. Sie wies den Vorwurf zurück, dass sie sich mit dem Flüchtlingsabkommen einseitig in Abhängigkeit zur Türkei begeben habe. "Es gibt natürlich wechselseitige Abhängigkeiten, Sie können es auch einfach die Notwendigkeit zum Interessenausgleich nennen." Ausgleich heiße nicht völlige Übereinstimmung mit der Politik eines Landes.

Zur geplanten Aufhebung der Visumpflicht für Türken sagte sie, die vereinbarten Bedingungen müssten zuvor erfüllt werden. "Das betrifft nun mal die Standards in der Türkei und erfordert dort Änderungen." Korrekturen am Anti-Terror-Gesetz hatte Erdogan kürzlich abgelehnt. Merkel sagte dazu: "Ich konzentriere mich darauf, genau zu beobachten, wie die Türkei mit ihren Zusagen umgeht. Bis jetzt setzt sie sie verlässlich um, und natürlich werde ich mit dem türkischen Präsidenten über den Stand der Dinge sprechen."

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies derweil Zweifel am Bestand des EU-Türkei-Abkommens zurückgewiesen. "Fakt ist doch: Es gibt ein Abkommen mit beiderseitigen Verpflichtungen, und bisher halten sich alle Seiten daran", sagte Steinmeier unserer Redaktion. Den Skeptikern hielt Steinmeier entgegen: "Erst glaubte kaum jemand daran, dass die Vereinbarung kommt. Dann hielten die selbst ernannten Experten die Vereinbarung für nicht umsetzbar. Jetzt heißt es, sie werde sowieso scheitern."

Der Außenminister räumte dennoch ein: "Aber richtig ist: die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, Eingriffe in Rechtstaatlichkeit, der eskalierende Kurdenkonflikt und jetzt auch die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten — all dies sind Entwicklungen, die uns Sorgen machen und die wir, ganz unabhängig vom Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit nicht ignorieren können, sondern über die wir mit Ankara sprechen müssen."

Ein Sonderparteitag der islamisch-konservativen AKP ist derweil am Sonntag in Ankara zur Wahl des neuen Parteichefs und künftigen türkischen Ministerpräsidenten zusammengekommen. Einziger Bewerber ist der bisherige Verkehrsminister Binali Yildirim, der Wunschkandidat von Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Nach seiner Nominierung durch den Parteivorstand hatte Yildirim angekündigt, seine Regierung werde in "vollkommener Harmonie" mit der AKP und besonders mit Erdogan zusammenarbeiten, "unserem Anführer". Der 60 Jahre alte Yildirim folgt AKP-Chef und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach. Die Abstimmung ist für den Nachmittag geplant.

(das/dpa/qua)
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