Ehebruch und Homosexualität waren lange Zeit strafbar Vor 35 Jahren: Als die Liebe legal wurde

Düsseldorf (rpo). Rufe nach freier Liebe standen Ende der sechziger Jahre einem Staat gegenüber, der Ehebruch und Homosexualität mit Gefängnis bestrafte. Erst am 25. Juni 1969 schaffte der Bundestag mit dem Ersten Strafrechtsreformgesetz den Staat als Sittenwächter weitgehend ab. Die schon in den fünfziger Jahren von Gustav Heinemann eingeleitete Reform des Strafgesetzes von 1871 hatte bis zuletzt heftige Debatten ausgelöst. Besonders die Strafbarkeit von Homosexualität und Ehebruch war für viele Abgeordnete ein Eckpfeiler der Sittlichkeit. Deshalb sollte christlichen Geboten wie "Du sollst nicht Ehebrechen" weiterhin mit der Androhung von Gefängnis Nachdruck verleihen werden.

Außerdem, argumentierte der CDU-Abgeordnete Hans Würmeling, "Wer die Strafbarkeit des Ehebruchs aufhebt, hält wohl nachträglich die immerhin 1.365 Bestrafungen wegen Ehebruchs in den Jahren 58 bis 66 nicht für richtig." Doch der damalige SPD-Justizminister Horst Ehmke lässt sich nicht auf dieses Scheinargument ein. Für ihn zählt nur die Frage, "ob die Vorschrift zur Strafbarkeit des Ehebruchs zur Intaktheit der Ehe beiträgt." Dieser Sicht schließt sich letztlich die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten an. Der Ehebruch-Paragraph 172 wird gestrichen.

Angst vor Homosexualität

Weniger erfolgreich war der Vorstoß zur Beseitigung des Paragraphen 175, der Homosexualität mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestrafte. Die Angst vor der Homosexualität lag tief, wie die Zahlen belegen: Zwischen 1945 und 1969 wurden rund 65.000 Menschen wegen des Paragrafen 175 belangt. Einige Abgeordnete forderten sogar, die Strafen für homosexuelle Handlungen zu verschärfen.

Dass der Paragraph entschärft und Homosexualität unter Erwachsenen trotz aller Widerstände straffrei wurde, dürfte nicht zuletzt an einer von Prominenten wie Carl Friedrich Weizsäcker und Hans Magnus Enzensberger unterzeichneten Petition gelegen haben. Darin argumentieren die Verfasser, das Gesetz habe noch keinen “Konträrsexuellen von seinem Trieb befreit, wohl aber viele Menschen in Schande und Verzweiflung, ja Irrsinn und Tod getrieben„. Doch erst 1994 wurde der Paragraph 175 vollständig abgeschafft.

Kampf für sexuelle Selbstbestimmung

Trotz einiger Rückschläge ist Sexualität heute weitgehend Privatsache. Das hat auch in den Überschriften des Strafgesetzbuchs Ausdruck gefunden: Aus dem Kapitel "Straftaten gegen die Sittlichkeit" sind "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" geworden. Das Strafrecht dient nicht mehr dazu, moralisch konformes Verhalten durchzusetzen. Strafrechtliche Grenzen werden nur dort gezogen, wo die Freiheit des einzelnen in Widerspruch zur Freiheit der anderen gerät und wo Leben, Gesundheit, Eigentum und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gegen Übergriffe geschützt werden muss.

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