Volker Kauder im Interview "Wir dürfen nicht aus Angst vor IS unsere Werte aufgeben"

Düsseldorf · Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) spricht im Interview mit unserer Redaktion über den Kampf gegen den IS-Terror, die Flüchtlingskrise, die Frage der Umgangsformen unter Schwesterparteien und erklärt, warum die Linksfraktion von ihm Applaus bekommt.

 Volker Kauder sprach mit unserer Redaktion.

Volker Kauder sprach mit unserer Redaktion.

Foto: dpa, pil fpt vfd

Sie haben im Bundestag bei der Rede des Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch geklatscht. War das ein Versehen?

Kauder: Herr Bartsch hat eine bekannte Bibelstelle zitiert, die sagt, dass man denen, die in Bedrängnis sind, helfen muss. Diese Aussage ist auch für mich sehr wichtig. Er hat die Passage aber mit gewissen Hintergedanken zitiert. Da musste ich ihn auf eine bedeutende Stelle im Matthäus-Evangelium hinweisen. Dort heißt es sinngemäß: Zeige nicht auf den Splitter im Auge deines Bruders, sondern achte vielmehr auf den Balken in deinem eigenen Auge. Denn die Linke ist sich in der Flüchtlingspolitik gar nicht so einig, wie Herr Bartsch versucht hat, dies darzustellen.

Herr Bartsch hat sich im Anschluss an das Matthäus-Zitat auch den Satz der Kanzlerin zu eigen gemacht: Wir schaffen das. Hat das auch Ihren Applaus verdient?

Kauder: Ich bin in der Tat überzeugt, dass wir es schaffen und die Herausforderungen der Flüchtlingsbewegung meistern werden.

Ist das Lob von Grünen und Linken zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin schwierig für die Kommunikation in den eigenen Reihen?

Kauder: Die Kanzlerin bekommt sehr viel Lob auch aus den eigenen Reihen. In der Fraktionssitzung am Dienstag gab es für sie stehende Ovationen und ich bin sicher, dass ihr Kurs zum Erfolg führen wird. Man braucht jedoch dafür ein wenig Zeit.

Ist CSU-Chef Seehofer am vergangenen Wochenende zu weit gegangen, als er der Kanzlerin auf offener Bühne die Leviten gelesen hat?

Kauder: Ich würde so etwas nicht machen. Ich finde, dass wir unter Schwesterparteien respektvoll miteinander umgehen müssen — gerade wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben.

Werden Sie Herrn Seehofer beim CDU-Parteitag mit der unter Bürgerlichen üblichen Höflichkeit empfangen?

Kauder: Wir diskutieren gerade ja viel über Werte und Umgangsformen, die in einer Gesellschaft beachtet werden sollten. Da gehören Respekt und Höflichkeit sicher dazu. Ich denke, dass der CDU-Parteitag das auch gegenüber allen seinen Gästen zeigen wird.

Wird beim EU-Türkei-Gipfel ein Durchbruch gelingen, der perspektivisch den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und damit nach Deutschland reduziert?

Kauder: Nach dem Abschuss des russischen Flugzeugs habe ich mir Sorgen gemacht, dass eine Lösung schwieriger wird. Zum Glück sind beide Seiten offenbar grundsätzlich interessiert, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Hoffentlich wird diese Absicht auch beiderseits verwirklicht. Unabhängig davon hat der türkische Präsident erklärt, dass die Türkei die Kontrollen an ihren Außengrenzen ernst nimmt und dass er den Schleppern das Handwerk legen will.

Wie hoch werden die Geldsummen sein, die Deutschland für die Türkei und andere Staaten aufwenden muss, um den Menschen das Leben in den Flüchtlingslagern erträglich zu machen?

Kauder: Über die Höhe kann ich nichts sagen. Aber dass auch wir deutlich mehr tun müssen, ist völlig klar. Die Versorgungslage in Flüchtlingslagern im Libanon ist teilweise so schlecht, dass die Menschen aus blanker Not fliehen müssen. Das notwendige Geld muss zur Verfügung gestellt werden, damit die Menschen in den Lagern bleiben.

Das heißt, die Deutschen zahlen . . . .

Kauder: Es kann nicht darum gehen, immer nur Deutschland die Verantwortung zuzuschieben. Europa muss handeln. Europa muss sich in der Flüchtlingskrise endlich solidarisch verhalten. Es geht nicht, dass die meisten der anderen Staaten sagen, wir nehmen keine Flüchtlinge auf und zugleich auch nichts zur Verbesserung der humanitären Lage in den Flüchtlingslagern tun wollen. Europa ist eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit. Diesen Gedanken sollte auch die EU-Kommission noch deutlicher betonen. Wenn diese Idee sich nicht endlich wieder mehr durchsetzt, wird sich dieses Europa schweren Schaden nehmen. Den Schaden werden alle Europäer davontragen. Alle EU-Staaten brauchen dieses gemeinsame Europa, schon um den Wohlstand zu sichern. Und noch etwas zu den Geldern für die Flüchtlingslager: Die Summen werden auf jeden Fall geringer ausfallen als das, was aufgewendet werden müsste, wenn die Menschen alle nach Europa kommen.

Sie sagen, die Bewältigung der Flüchtlingskrise brauche Zeit. . .

Kauder: Der Kölner Dom hat auch Jahrhunderte gebraucht, habe ich etwas ironisch im Bundestag gesagt.

Während des Baus des Kölner Doms sind aber nicht Hunderttausende nach Köln geflohen.

Kauder: Ich will doch nur eines sagen: Manche Dinge brauchen trotz der Größe der Herausforderung Zeit. Wir brauchen Geduld bei der Lösung der Flüchtlingskrise. Die Kanzlerin arbeitet hart an Lösungen.

Es stellt sich trotzdem die Frage: Wie lange schaffen wir das noch?

Kauder: Wir sind dabei, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren, auch damit die, die schon bei uns sind, vernünftig integriert werden können. Dabei fahren wir ein Stück weit auf Sicht und versuchen Schritt für Schritt, die Probleme immer besser in den Griff zu bekommen. Das fängt bei der Beschleunigung der Verfahren an und hört beim Eintreten für eine Friedenslösung für Syrien auf.

Wie geht es beim Bemühen auf nationaler Ebene voran, Ordnung zu schaffen bei der Registrierung und Versorgung der Flüchtlinge?

Kauder: Mit dem ersten Asylpaket haben wir schon sehr viel erreicht. Nur ein Beispiel: Die Zahl der Flüchtlinge vom Balkan ist deutlich zurückgegangen.

Die innenpolitischen Sprecher von Bund und Ländern von der Union haben am Freitag gefordert, weitere Anreize abzubauen, die Flüchtlinge veranlassen könnten, nach Deutschland zu kommen.

Kauder: Das ist bereits geschehen. So sollen in den Erstaufnahmeeinrichtungen statt Geld- nur noch Sachleistungen gewährt werden. Das ist geltendes Recht. Es ist unerträglich, dass einzelne Bundesländer dies ignorieren, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen. So funktioniert der Föderalismus nicht.

Warum können Sie sich in der Koalition nicht auf das zweite Asylpaket einigen, das ja eigentlich schon Konsens unter den Parteichefs war?

Kauder: Die SPD hat nach dem Konsens der drei Parteivorsitzenden nachgelegt. So kann nicht gearbeitet werden. Die zusätzlichen Forderungen der SPD werden von uns nicht akzeptiert.

Welchen Beitrag muss Deutschland im Kampf gegen den IS leisten?

Kauder: Die Bundesregierung wird der Allianz gegen den IS-Terror nun weitere militärische Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Das ersetzt aber nicht die Notwendigkeit, möglichst schnell einen konkreten Friedensplan für Syrien zu entwickeln und die Flüchtlinge in der Region rasch besser zu versorgen. Der politische und humanitäre Aspekt ist wenigstens genauso wichtig wie der militärische, um letztlich die Islamisten zurückzudrängen. Den Menschen in Syrien muss eine Lebensperspektive gegeben werden. Dann werden die Islamisten es noch schwerer haben, die Menschen zu überzeugen.

Wird sich durch das verstärkte Engagement der Deutschen im Kampf gegen den IS auch die Sicherheitslage in Deutschland verschärfen?

Kauder: Auch der Terror der Roten Armee Fraktion ist dadurch besiegt worden, dass der Staat sich entschlossen gewehrt hat. Wir dürfen nicht aus Angst vor dem IS unsere Prinzipien und Werte aufgeben. Auch wenn wir nicht bereit sind, uns zu wehren, wird uns der IS nicht verschonen. Ich bin sicher, dass es uns gelingen wird, den Terror zu besiegen.

Wie stehen Sie zum Einsatz der Bundeswehr im Innern?

Kauder: Im Katastrophenfall kann die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden. Weitere Regelungen halte ich im Augenblick nicht für notwendig.

Eva Quadbeck stellte die Fragen

(qua)
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