Amt des Bundespräsidenten Wer kommt, wenn Gauck geht?

Berlin · Joachim Gauck wird um 12.00 Uhr im Schloss Bellevue eine Erklärung abgeben. Der Bundespräsident könnte dabei seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit bekannt geben. Was dann? Wir haben uns einige Kandidaten genauer angesehen.

Joachim Gauck – Bundespräsident und Bundesbeauftragter für Stasi-Akten
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Das ist Joachim Gauck

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Foto: ddp

Bestätigt ist es noch nicht, dass Joachim Gauck wirklich auf eine zweite Amtszeit verzichten will. Aber die Hinweise verdichten sich, und heute trifft der 76-Jährige zu einem länger geplanten Abendessen mit Kanzlerin Angela Merkel zusammen. Eine gute Gelegenheit, um der Frau, die sich bereits öffentlich für eine zweite Amtszeit Gaucks ausgesprochen hat, zu sagen, dass daraus wohl nichts wird. Das könnte die Kanzlerin nun allerdings schon früher erfahren, denn der Bundespräsident wird am Mittag im Schloss Bellevue eine Erklärung abgeben. Das teilte das Präsidialamt am Montag mit.

Joachim Gauck hat eine starke Amtszeit hinter sich gebracht. Seine Autorität ist noch gewachsen, seine Beliebtheit gestiegen. Warum weitere fünf Jahre, zumal er schon bei seiner China-Reise im März betonte, er müsse auch seine "eigenen physischen und psychischen Kräfte" berücksichtigen? Also lautet die Frage: Welche Frau, welcher Mann hat die besten Chancen, Nachfolger im höchsten Amt im Staat zu werden? Hier ein Überblick über die Personen, die in den jeweiligen Lagern im Gespräch sind.

Norbert Lammert, 67, CDU: Der amtierende Bundestagspräsident wird im Lager möglicher Kandidaten von CDU und CSU an erster Stelle genannt. Scharfsinnig, rhetorisch versiert, klug. Lammert hat sich mit teils humorvollen Beiträgen zur Verfassung und der Entwicklung der Demokratie zu Wort gemeldet, hat präsidiales Format und wird nicht nur wegen seiner Liberalität bei Grünen und der FDP geschätzt. Lammert gilt aber als eitel, sein Verhältnis zur Kanzlerin als angeschlagen. Die meiste Gegenwehr könnte ihm also aus eigenen Reihen entgegenschlagen. Er selbst kommentierte die Spekulationen über seine Person nicht, sagte nur, dass ihm eine zweite Amtszeit Gaucks am liebsten wäre. Lammert kommt aus NRW, es wäre nach Bundespräsident Johannes Rau eine schöne Bestätigung für den wichtigsten Landesverband in der CDU und im Vorfeld der NRW-Wahl auch ein Geschenk an NRW-CDU-Chef Armin Laschet.

Wolfgang Schäuble, 73, CDU: Der Name des Finanzministers taucht immer auf, wenn es um die Vergabe hoher Staatsämter geht - nun brachte ihn Parteifreund Wolfgang Bosbach ins Spiel. Schäuble ist der dienstälteste Parlamentarier, gilt als loyaler Staatsdiener, scharfsinniger Analyst und gewiefter Taktiker. Und für Schäubles Sessel am Kabinettstisch stünde ein anderes Talent bereit, das im zurechtgestutzten Wirtschaftsflügel der Union kurz vor der Bundestagswahl Fantasien auslösen würde. Friedrich Merz, der frühere Fraktionschef, einstige Widersacher Merkels und ausgewiesene Experte auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Finanzpolitik, wäre ein Coup für Merkel, die sich als Versöhnerin zeigen und zugleich eine starke inhaltliche Botschaft für die Wahlen geben könnte: Raus aus der großen Koalition. Schäuble hatte selbst in kleiner Runde davon gesprochen, dass er Merz gerne in Verantwortung bei der CDU sähe. Gegen Schäuble spricht sein hohes Alter und die Vorbehalte in der CSU, die er jüngst verschärfte, indem er der Schwesterpartei "Attacken gegen Merkel" vorwarf.

Ursula von der Leyen, 57, CDU: Als Verteidigungsministerin sieht sich die Mutter von sieben Kindern mit Sicherheit noch nicht im Zenit ihrer politischen Karriere angekommen. Von der Leyen wäre als Frau und Vertraute der Kanzlerin eine beliebte Kandidatin in der Union. Aber sie ist machtbewusst, jung und beliebt genug, um in der operativen Politik noch Höheres zu erreichen. Warum sollte sie präsidieren wollen?

Gerda Hasselfeldt, 65, CSU: Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag und frühere Bau- sowie Gesundheitsministerin gilt als Geheimtipp im Unionslager. Weil eine Frau wohl gute Chancen hätte, wird ihr Name oft genannt. Hasselfeldt als Kandidatin hieße für die Kanzlerin zudem, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Stellt Merkel sie auf, wäre das ein Friedenssignal an CSU-Chef Horst Seehofer, der nicht umhinkäme, die Kandidatur mitzutragen. Gleichzeitig gilt Hasselfeldt aber auch nicht als dermaßen bayerisch-linientreu, dass Merkel von ihr ernste Schwierigkeiten zu erwarten hätte. Bei SPD, Grünen und Linken ist sie hingegen nicht beliebt. Die Union wäre also auf Stimmen der FDP angewiesen.

Frank-Walter Steinmeier, 60, SPD: Im sozialdemokratischen Kandidatenlager nimmt der Außenminister eine Favoritenrolle ein. Er ist parteiübergreifend beliebt, kann mit einem strengen Protokoll und der internationalen Bühne glänzend umgehen und hat sich zuletzt kaum mehr in das Klein-Klein der Politik seiner Partei eingemischt. Er müsste aber auf dem SPD-Ticket nominiert werden, denn Merkel hat deutlich gemacht, dass die Union Steinmeier nicht als gemeinsamen Kandidaten von SPD und Konservativen akzeptieren würde. Und die Linken wählen den Agenda-Erfinder und Realpolitiker Steinmeier kaum mit.

Außenseiter Abgesehen vom Namen Steinmeier halten sich SPD und Grüne auffallend bedeckt. Man wolle die Spekulationen nicht anheizen, heißt es unisono in Berlin. Ein Name fällt aber doch: Jutta Allmendinger. Die 59-jährige Sozialdemokratin leitet das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Für sie sprechen Parteiferne, Alter und Geschlecht - Außenseiterrolle und Unbekanntheit klar dagegen.

Welche Strategien stehen im Raum?

Als sicher gilt, dass die Union einen eigenen Kandidaten aufstellen wird. Können sie sich mit der SPD auf niemanden einigen, und stellen die Sozialdemokraten auch eine Person auf, geht es am 17. Februar in der Bundesversammlung um einen Lagerkampf. Dann hätten SPD, Grüne und Linke eine Mehrheit, ebenso die Union gemeinsam mit der FDP. Entscheidend für die Mehrheitsverhältnisse werden aber die Landtagswahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sein.

(RP)
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