Forschungsministerin im Interview "Verbrauch menschlicher Embryonen dauerhaft ausschließen"

Berlin (RP). Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), zugleich katholische Theologin, setzt auf Alternativen zur Forschung an Embryo-Stammzellen. Sie will aber auch das bestehende Gesetz liberalisieren.

Stammzellenforschung - Was in Deutschland erlaubt ist
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Foto: AP

Ihr Eintreten für Importe weiterer embryonaler Stammzellen für die Forschung stößt in der CDU auf viel Widerstand. Wie begründen Sie diesen so heiklen Vorstoß?

Schavan Stammzellen sind die Basis der regenerativen Medizin. Deshalb ist diese Forschung sehr bedeutsam für die Medizin des 21. Jahrhunderts. Wir müssen alles tun, um den Verbrauch menschlicher Embryonen für die Forschung und die Therapie dauerhaft auszuschließen. Deshalb setze ich auf die Alternativen zu embryonalen Stammzellen, etwa auf die Reprogrammierung somatischer Zellen, also die Umwandlung normaler Körperzellen in entwicklungsfähige Stammzellen. Nach den jüngsten Forschungserfolgen erscheint dies als ein vielversprechender Weg. Wenn aber die Forschung sagt, dass sie zur Entwicklung dieser ethisch unbedenklichen Verfahren den Vergleich mit embryonalen Stammzellen braucht, dann kann ich das nicht ignorieren.

Könnte das nicht auch eine reine Schutzbehauptung sein?

Schavan Nein, das lässt sich sehr konkret belegen. Die Forschergruppe, die vor kurzem einen Durchbruch bei der Reprogrammierung körpereigener Zellen erzielt hat, hat die dafür notwendigen Steuerungsgene an embryonalen Stammzell-Linien identifiziert. Dieser Zusammenhang macht das ethische Dilemma aus.

Und dafür müssen Sie das Gesetz ändern und den Stichtag verschieben?

Schavan Ich bin einig mit allen, die sagen: Der Schutz des Lebens setzt der Forschung Grenzen. Das gehört zur Substanz unseres Stammzellgesetzes. Sie wird nicht beschädigt, wenn es einen anderen Stichtag gibt - solange er in der Vergangenheit liegt und also von Deutschland kein Anreiz zum Verbrauch von Embryonen ausgeht. Wer sich dafür einsetzt, plädiert nicht für mehr embryonale Stammzellforschung, will aber, dass die Forscher, die an Alternativen dazu arbeiten, das nötige Wissen zur Verfügung haben.

Weil Sie in der Debatte auch mit Ihrer Eigenschaft als katholische Theologin argumentiert haben, gab es scharfe persönliche Attacken einiger Bischöfe. Was erwidern Sie ihnen?

Schavan Kardinal Lehmann hat die Position der katholischen Kirche deutlich gemacht und zugleich anerkannt, dass diejenigen, die jetzt entscheiden müssen, es sich nicht leicht machen. Genau so ist es. Ich habe beim Parteitag übrigens nicht als Theologin gesprochen, sondern deutlich gemacht: Gerade weil ich katholische Theologin bin, ist für mich diese Entscheidung besonders schwer. Ich muss und will vermitteln. Es darf nicht der Eindruck entstehen, wir hätten in Deutschland eine gottlose Wissenschaft. Hier arbeiten verantwortungsbewusste Menschen, die ebenso Überzeugungen haben wie Sie und ich.

Kritiker fürchten, die Forschung an embryonalen Stammzellen werde bevorzugt - zu Lasten der ethisch unbedenklichen adulten Stammzellen.

Schavan Das ist eindeutig falsch. 97 Prozent aller Forschungsförderung fließen seit 2000 in die adulte Stammzellforschung. Es hat nie einen Schwerpunkt bei der embryonalen Stammzellforschung gegeben. Im Gegenteil. Ich habe neue Schwerpunkte gesetzt, die ausschließlich im Bereich der Alternativen liegen. Eine Verschiebung des Stichtags bedeutet keine Verschiebung unserer Schwerpunkte. Vielmehr soll Deutschland Motor für die adulte Stammzellforschung sein.

Wagen Sie eine Prognose, wann und wie eine Entscheidung fällt?

Schavan Der Bundestag wird in den ersten Wochen des Jahres 2008 beraten. Ich gehe davon aus, dass eine Entscheidung vor der Osterpause fällt. Das ist eine Gewissensentscheidung der Abgeordneten, die durch keinen Fraktionszwang beeinflusst werden kann - und auch durch keinen Parteitagsbeschluss.

Die Kritiker befürchten eine Rutschbahn zu immer neuen Stichtagen. Können Sie garantieren, dass es endgültig die letzte Änderung ist?

Schavan Im Bereich der Forschung von endgültigen Garantien zu sprechen, halte ich für nicht seriös und für falsch. Ich bin überzeugt: Es wird nicht mehr embryonale Stammzellforschung in Deutschland geben. Sie bleibt Ausnahme in ganz engen Grenzen, um Vergleichswissen zur Entwicklung ethisch unbedenklicher Alternativmethoden zu haben.

Stefan Reker fasste die Berliner Runde zusammen.

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