Ursula von der Leyen "Mir kann niemand mehr etwas schönreden"

Düsseldorf · Die Verteidigungsministerin über erste Erfolge ihrer Attraktivitätsoffensive bei der Bundeswehr, sanierungsbedürftige Kasernen und Pegida.

 Bundesverteidigungsministerin von der Leyen

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen

Foto: imago

Was bringt Ihre Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr? Rennen Ihnen die Frauen jetzt die Türen ein?

von der Leyen Nach einem Jahr können Sie keine Wunder erwarten, aber wir sehen erste Erfolge bei Männern und Frauen. Die Neueinstellungen sind im letzten Jahr angestiegen. Derzeit rund 11 000 freiwillig Wehrdienstleistende sind der höchste Stand seit Jahren. Die Tendenz ist klar positiv, insbesondere bei den Frauen: Als 2011 der freiwillige Wehrdienst eingeführt wurde, sind im Startquartal rund 3500 Männer eingestellt worden - und nur 55 Frauen. Diese Zahl hat sich gegenüber dem zuletzt gemessenen Quartal verzehnfacht. Da waren es wieder rund 3500 Männer und 560 Frauen. Der Frauenanteil ist hier bei den Einsteigern alleine in den letzten 24 Monaten von zehn auf 14 Prozent gesprungen. Das ist eine gute Bilanz, aber wir wollen mehr.

Bei Führungspositionen in der Bundeswehr sind Sie weit von der Frauenquote entfernt, die die Bundesregierung für Aufsichtsräte vorgibt.

von der Leyen Das ist richtig. Aber an der Spitze des Ministeriums sind wir besser als die meisten Daxkonzerne: Wir haben eine Oberkommandierende und eine Rüstungsstaatssekretärin.

Darunter, bei den militärischen Rängen, gibt es kaum Frauen. . .

von der Leyen Das werden wir ändern. Beispiel Sanitätsdienst, der seit 40 Jahren Frauen zulässt: Dort werden heute etwa 50 Prozent Frauen eingestellt, sie sind in der Führung aber kaum repräsentiert. Da werden wir eine Quotierung umsetzen, um zu verhindern, dass wir weiter Frauen bei den Beförderungen mit etwa Mitte 30 verlieren. Zu dem Zeitpunkt werden in militärischen Laufbahnen mit Tests und Beurteilungen die Aufstiegsmöglichkeiten ausgelotet. Bei der Analyse haben wir festgestellt, dass Frauen in objektiven Tests genauso gut abschneiden wie Männer. Bei subjektiven Beurteilungen durch die Vorgesetzten, welche Karriere man ihnen zutraut, werden sie deutlich schlechter beurteilt. Das kann nicht stimmen.

Soldaten klagen über marode Kasernen. Was unternehmen Sie dagegen?

von der Leyen Wir haben unbestritten einen enormen Modernisierungsbedarf. Wir haben rund 3000 Unterkunftsbauten, von denen 500 ohnehin geschlossen werden sollen. Die übrigen werden mit Hochdruck saniert. Dafür werden in den nächsten drei Jahren etwa 750 Millionen Euro investiert. Seit September haben wir rund 3100 Sofortmaßnahmen vom neuen Duschkopf bis zur dringenden Dachsanierung angeschoben, davon sind heute bereits 800 abgeschlossen. Das zeigt, wie lang der Weg ist.

Haben Sie nach 14 Monaten im Amt das Beschaffungswesen der Bundeswehr im Griff?

Von der Leyen Wir haben zumindest die Fülle der Probleme und Schwierigkeiten offengelegt. Ich bin froh, dass wir nicht mehr im Treibsand stehen, sondern wissen, wo der Boden ist und wie wir uns herausarbeiten wollen. Dass wir die Ursachen kennen, heißt aber nicht, dass alle Fehler der Vergangenheit schon abgestellt sind. Wir wissen, was wir in der Verwaltung verbessern und wo wir Tacheles mit der Industrie reden müssen.

Bis wann werden Sie die leidige Drohnenfrage geklärt haben?

Von der Leyen Wenn wir im Einsatz Aufklärungsdrohnen brauchen, werden wir diese leasen. Und was die Entwicklung einer europäischen Drohne anbelangt, laufen die Gespräche mit potenziellen Partnern. Auf jeden Fall werden wir nicht den Fehler vergangener Kooperationsprojekte wiederholen, dass jedes Land seine Spezialwünsche draufpackt. Eine europäische Drohne wird aus einem einheitlichen Typ bestehen und nicht mit deutschen Sonderausstattungen, französischen Extras oder italienischen Besonderheiten befrachtet, die das ganze Projekt hochkompliziert und teuer machen.

Der Ausrüstungsmurks hat ein Trommelfeuer der Kritik gegen Sie ausgelöst. Hat Sie das härter oder nachdenklicher gemacht?

Von der Leyen Sowohl als auch. Es härtet ab. Im Rückblick war es gut, durch dieses tiefe Tal zu gehen. Mir kann heute niemand mehr etwas schönreden. Ich weiß, dass ein Marathon und kein Sprint vor mir liegt. Das betrifft nicht nur die Modernisierung der Ausrüstung, sondern auch die Daueraufgabe, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber für junge Fachkräfte zu machen. Wenn wir es gut machen, werden wir die Effekte erst spät sehen. Ich kann nur davor warnen, zu früh Entwarnung zu geben.

Was erwarten Sie vom Verteidigungsminister-Treffen der Nato Anfang Februar in Bezug auf die Russland-Ukraine Strategie?

von der Leyen Ich erwarte, dass die Nato weiter Geschlossenheit und Gesprächsbereitschaft zeigt. Es kommt jetzt darauf an, dass wir die Beschlüsse von Wales umsetzen und beharrlich darauf drängen, dass die Vereinbarungen von Minsk endlich mit Leben gefüllt werden.

Benötigen wir wieder ein rotes Telefon für Moskau und den Westen?

von der Leyen Wir benötigen vor allem ein Verhalten Russlands, das neues Vertrauen schafft.

Dialog oder Abgrenzung - auf welche Strategie setzen Sie in der Auseinandersetzung mit Pegida?

Von der Leyen Ich setze auf das Gespräch mit den Menschen, die Pegida folgen. Denen müssen wir unsere Standpunkte gut erklären. Erst aus dem Dialog werden die unterschiedlichen Positionen und Argumente deutlich und auch wo Pegida überhaupt keine Antworten liefert.

Wären Sie bereit, sich mit Pegida in eine Talkshow zu setzen?

Von der Leyen Grundsätzlich ja, wenn es sich um seriöse Vertreter handelt.

GREGOR MAYNTZ UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(qua, may-)
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