Union und SPD pokern weiter Groko-Spannung bis zum Schluss

Berlin · Union und SPD erzielen keinen frühen Durchbruch, weil sie sich bei Gesundheit und Arbeitsmarkt verhaken. Dabei ist das Allermeiste schon geklärt. Am Dienstag läuft die selbst gesetzte Einigungsfrist ab.

 Die Verhandler von Union und SPD trafen sich am Montag in der SPD-Zentrale in Berlin. Am Dienstag wird wieder bei der CDU verhandelt.

Die Verhandler von Union und SPD trafen sich am Montag in der SPD-Zentrale in Berlin. Am Dienstag wird wieder bei der CDU verhandelt.

Foto: dpa, nie scg

Union und SPD wollen für einen neuen Aufbruch mit einer großen Koalition Milliarden von Euro für bessere Lebensbedingungen in Deutschland ausgeben. In einem 160-seitigen Koalitionsvertrag listen sie detailliert die einzelnen Bereiche von neuer Unterstützung für Arbeitnehmer bis zur Pflege auf, versprechen mehr Geld für Familien und arme Rentner und kündigen Maßnahmen für mehr Sicherheit, Tierschutz und Ökolandbau sowie eine flächendeckende Digitalisierung und Investitionsoffensiven für die Bildung an.

Offene Streitpunkte

Allerdings konnten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz bis Montagabend keinen Durchbruch bei den letzten Streitthemen der von der SPD geforderten Angleichung der Arzthonorare für Privat- und Kassenpatienten sowie der Eindämmung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen erzielen. Ferner war der Finanzierungsrahmen der Wünsche der möglichen Koalitionäre noch ungeklärt. Sie können bisherigen Berechnungen zufolge 46 Milliarden Euro für zusätzliche Ausgaben bis 2021 einplanen. In der Summe kamen sie mit ihren Vorhaben aber auf bis zu 100 Milliarden Euro. Die von Union und SPD selbst gesetzte Frist für den Abschluss eines Koalitionsvertrags endet am Dienstag.

Die große Koalition hat nach einer neuen Meinungsumfrage derzeit keine Mehrheit mehr. Im aktuellen INSA-Meinungstrend für die "Bild"-Zeitung haben Union und SPD zusammen nur noch auf 47,5 Prozent der Wählerstimmen. Damit gebe es erstmals seit Erhebung des INSA-Meinungstrends keine Mehrheit mehr für eine Koalition aus Union und SPD, hieß es. Bei der Wahl im September waren beide Lager zusammen auf 53,4 Prozent gekommen. Für den Fall eines Scheiterns des bevorstehenden Mitgliederentscheids der Partei wäre eine Neuwahl wahrscheinlich. Trotz der umfangreichen Pläne ernteten Union und SPD viel Kritik.

Kritik von Sozialverbänden

Sozialverbände beklagten, die vorgesehenen zusätzlichen 8000 Stellen für Alten- und Krankenpfleger reichten bei weitem nicht aus. Wirtschaftsverbände beklagten mangelnde Rücksicht auf Unternehmer, die sich im internationalen Wettbewerb vor allem durch die drastische Senkung von Unternehmenssteuern in den USA beeinträchtigt sehen.

Wie sehr die Unterhändler ins Detail für den Koalitionsvertrag gingen, zeigt sich am Thema Wolf. Das erst vor wenigen Jahren in Deutschland wieder angesiedelte Tier sorgt bei Bauern für großen Unmut, weil zunehmend Schafe oder Kälber gerissen werden. Nun wollen Union und SPD den Abschuss von "gefährlichen" Wölfen erlauben, was Tierschützer kritisieren. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner verteidigte die geplante Tötung: "Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die EU-Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können."

Spannung vor SPD-Mitgliedervotum

Das Bundesverfassungsgericht prüft die Zulässigkeit des geplanten Mitgliedervotums der SPD zu einer großen Koalition. In Karlsruhe liegen derzeit fünf Anträge vor, die sich gegen die Befragung der rund 450.000 SPD-Mitglieder wenden. Einen der Anträge hat das Verfassungsgericht bereits ohne Begründung abgelehnt. Wann es über die anderen entscheidet, ist noch unklar. Vor vier Jahren hatte das höchste deutsche Gericht das Mitgliedervotum in einem Eilverfahren zugelassen.

(kd)
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