Kampf gegen überbordenden Müll Ministerin Hendricks droht dem Handel in Sachen Plastiktüten

Berlin · Wenn der Anteil der Gratis-Beutel nicht schnell weiter sinkt, will Umweltministerin Barbara Hendricks auf dem Gesetzesweg nachhelfen. 65 Prozent der Plastiktüten gibt es schon jetzt nur noch gegen Bezahlung.

 Nach Angaben des Umweltbundesamtes beläuft sich der aktuelle Verbrauch in Deutschland auf 76 Plastiktüten pro Person und Jahr.

Nach Angaben des Umweltbundesamtes beläuft sich der aktuelle Verbrauch in Deutschland auf 76 Plastiktüten pro Person und Jahr.

Foto: dpa

Der Kampf gegen überbordenden Plastiktütenmüll ist nach Einschätzung von Umweltministerin Barbara Hendricks zwar auf dem richtigen Weg, muss aber verschärft werden. 65 Prozent aller Tüten würden inzwischen nicht mehr kostenfrei abgegeben. "Das reicht aber noch nicht", sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion. In zwei Jahren müssten mindestens 80 Prozent aller Plastiktüten gegen Gebühr abgegeben werden. "Falls nicht, droht eine ordnungsrechtliche Lösung", kündigte die Ministerin an.

Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe werden weltweit jährlich eine Billion Plastiktüten verbraucht. Rund 90 Prozent davon landeten auf Mülldeponien, wo sie bis zu ihrer Zersetzung in 100 bis 500 Jahren die Umwelt belasteten. Nach einer EU-Richtlinie müssen alle Mitgliedstaaten verstärkt gegen Plastikmüll vorgehen. Sie haben dabei die Wahl, entweder den jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch bis Ende 2019 auf 90 und bis 2025 auf 40 leichte Tüten zu beschränken oder sicherzustellen, dass bis Ende 2018 die Geschäfte die Tüten nicht mehr gratis abgeben.

Der Handel unterscheidet zwischen dünnwandigen Einweg- und stabileren Mehrweg-Tüten. Die dünnen landeten häufiger im Müll, erläuterte die Umwelthilfe. Die Verwendung eines Mehrweg-Beutels könne 100 Einweg-Tüten sparen.

"Es läuft gut, da ist richtig Bewegung drin", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland (HDE) unserer Redaktion. Bereits 350 Unternehmen beteiligten sich daran, Geld für Plastiktüten zu nehmen. Kaufhof etwa verlangt 10 bis 25 Cent pro Stück.

Der Verband werbe dafür, dass sich dem weitere Betriebe anschließen. Eine gesetzliche Verschärfung lehnte der HDE ab. "Wozu ein Gesetz, wenn wir in Deutschland schon heute weniger Tüten verbrauchen, als das die entsprechende EU-Richtlinie für 2020 vorsieht?", fragte Genth.

Nach Angaben des Umweltbundesamtes beläuft sich der aktuelle Verbrauch in Deutschland auf 76 Plastiktüten pro Person und Jahr. Das sind jedoch insgesamt immer noch 6,1 Milliarden Tüten, womit nach Angaben der Umwelthilfe die Bundesrepublik bei den Mengen weiterhin neben Italien, Spanien und Großbritannien zu den Spitzenreitern beim Einsatz von Plastiktüten zählt.

Von einem generellen Verbot hält derzeit auch die Bundesumweltministerin nichts. Der Trend gehe zwar dahin, die Plastiktüten gänzlich zu verbannen, sagte Hendricks. Dies geschehe jedoch "ohne förmliches Verbot". Die Ministerin verwies darauf, dass es bereits jetzt große Handelsketten gebe, die nur noch Tragetaschen aus Stoff, aus Papier oder aus festem Kunststoff zum mehrfachen Gebrauch ausgeben.

Umso schädlicher ist ein neues Phänomen, das mit dem Ende der Gratis-Tüte in einzelnen Städten beobachtet wird: Käufer bedienen sich seitdem offenbar stärker bei den weiterhin kostenfrei zur Verfügung stehenden Plastiktüten für Hundekot. So berichtete das Viersener Ordnungsamt von einem deutlich höheren Verbrauch - offenbar auch durch Passanten ohne Hund. Diese Zweckentfremdung könne von den Behörden nicht verhindert werden.

(mar / may- / qua)
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