IS-Angriff rüttelt den Westen wach Auch Deutschland ist im Cyberkrieg verletzlich

Berlin · Der Hackerangriff von IS-Anhängern auf den französischen TV-Sender TV5Monde macht deutlich, wie empfindlich die westlichen Industrieländer sind. Was, wenn erst Flughäfen oder Atomkraftwerke Ziel von Attacken werden? Dass Deutschland bislang nicht stärker getroffen wurde, halten Experten für reines Glück.

Auch am zweiten Tag nach dem Hackerangriff auf TV5Monde sind die Schockwellen zu spüren. Die gesamte französische Regierungselite fand sich beim Sender ein und verurteilte die Attacke. Zeitgleich erneuern Experten ihre Warnungen. Ein Vorwurf: Westliche Unternehmen pflegten einen fahrlässig sorglosen Umgang mit digitaler Sicherheit. Dabei seien zentrale Knotenpunkte unserer Infrastruktur von digitalen Steuerungssystem abhängig.

Der Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Andreas Könen, hält es für "Glück", dass es in Deutschland bislang noch keinen Hackerangriff mit weitreichenden Folgen gegeben hat. Als Schwachstelle sieht der BSI-Vizechef die Industrie, während die Netze des Bundes "besonders gut aufgestellt" seien, so Könen am Freitag im ARD-Morgenmagazin.

"Jedes System angreifbar"

Schon weit vor dem Angriff auf den französischen Sender warnten Experten vor gravierenden Folgen. Jetzt aber ist das Risiko womöglich noch gestiegen. BSI-Vizechef Könen weist auf die Gefahr von Nachahmern in Deutschland hin. "Es ist so, dass jetzt viele andere sehen, was möglich ist, was vielleicht auch mit einfachen Mitteln möglich ist, und versuchen, das nachzuahmen." Medien seien mit ihrer Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, ein Teil der kritischen Infrastruktur. "Das ist eine wichtige Branche, die wir auch besser schützen müssen."

Könen verwies darauf, dass beispielsweise auch Wasser- und Energieversorger in ihren Erzeugungs- und Versorgungssystemen immer stärker auf computergesteuerte Technik setzen. Vielen Unternehmen sei bewusst, dass sie ihre Anlagen vor Angriffen aus dem Internet schützen müssten. "Aber es gibt eine ganze Menge mehr in der Absicherung gerade der Netze, was in den nächsten Jahren unternommen werden muss und noch nicht ausreichend ist", mahnte der BSI-Vizepräsident.

Auch Professorin Gabi Dreo vom Forschungszentrum Cyber Defence der Universität der Bundeswehr in München zeigt sich besorgt. Auch Flughäfen oder Atomkraftwerke könnten Ziel von möglichen Cyber-Attacken werden. Jedes IT-System sei potenziell angreifbar, sagte sie der dpa. Als Beispiele für besonders sensible Bereiche nennt sie Stromnetze, sogenannte Smart Grids, Flughäfen oder Atomkraftwerke.

Besonders sensibel

Industriestaaten wie Deutschland und Frankreich stehen aus Sicht der IT-Expertin aufgrund ihrer globalen Vernetzung sowie hohen technologischen Standards besonders im Fokus von Cyber-Angriffen. Dreo verweist in diesem Zusammenhang auf den jährlich vom BSI erstellten Lagebericht zur IT-Sicherheit: Für 2014 wurde die Gefährdungslage für die IT in Deutschland demnach als kritisch angesehen.

Auch die Politik hat der Cyber-Angriff erreicht. So attestiert Hans-Peter Bartels, Vorsitzender im Verteidigungsausschusses des Bundestages, der Bundeswehr erheblichen Nachholbedarf. "Die Bundeswehr muss in der Lage sein, sich selbst vor solchen Cyber-Attacken zu schützen - und gegebenenfalls auch befähigt sein, in gegnerische Netze einzudringen." Dafür seien die Kapazitäten noch viel zu klein, sagte Bartels der "Neuen Osnabrücker Zeitung" .

Konstantin von Notz, Experte der Grünen, moniert Versäumnisse in der Politik der Bundesregierung. "Die Bundesregierung hat die Bedrohung viel zu lang nicht ernst genommen und reine Symbolpolitik betrieben", so von Notz gegenüber dem Blatt. Dringend notwendig sei eine umfassende Bedrohungsanalyse sowie eine flächendeckende Überprüfung eingesetzter Hard- und Software auf Sicherheitslücken.

(AFP dpa)
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