Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen Landeskoalitionsspiele und die Auswirkungen auf den Bund

Berlin · Schon einmal brachte die Frage eines Linksbündnisses reichlich Zoff in eine große Koalition im Bund. Deshalb ist gerade die bevorstehende Wahl in Thüringen für Union und SPD spannend – und womöglich ein kleiner Belastungstest.

 Der Linke-Spitzenkandidat von Thüringen, Bodo Ramelow, und der thüringische SPD-Fraktionschef Christoph Matschie (v.l.).

Der Linke-Spitzenkandidat von Thüringen, Bodo Ramelow, und der thüringische SPD-Fraktionschef Christoph Matschie (v.l.).

Foto: dpa, msc vfd

Schon einmal brachte die Frage eines Linksbündnisses reichlich Zoff in eine große Koalition im Bund. Deshalb ist gerade die bevorstehende Wahl in Thüringen für Union und SPD spannend — und womöglich ein kleiner Belastungstest.

Sigmar Gabriel kann unwirsch reagieren, wenn jemand nicht die offizielle Sprachregelung drauf hat. So fuhr der SPD-Chef Generalsekretärin Yasmin Fahimi gleich bei ihrem ersten Auftritt im Januar in die Parade. Fahimi wurde gefragt, ob die SPD je nach Ausgang der Landtagswahlen im Osten einen Linke-Politiker zum Ministerpräsidenten wählen und Juniorpartner in einer rot-rot-grünen Koalition werden würde. Man sei immer offen für Koalitionsgespräche, meinte Fahimi. Dann griff Gabriel ein: "Die Antwort lautet: Das entscheiden die Landesverbände."

Gabriels Losung soll jegliche Auswirkungen der Wahlen am 14. September in Thüringen und Brandenburg auf die große Koalition minimieren. "Land ist Land, Bund ist Bund", meint Vize Ralf Stegner. Die außenpolitischen Krisen vom Irak bis zur Ukraine tun ihr Übriges, dass neue Farbenspiele nicht zur Belastungsprobe für die Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden dürften.

Das glaubt zumindest Gabriel, der trotz seiner Weisung natürlich auch bei Koalitionen auf Landesebene Einfluss nehmen kann. Derzeit will er vor allem eines: Ruhe für die "GroKo". Was aber deutlich wird: Durch die Schwäche der FDP und das Aufkommen der Alternative für Deutschland (AfD) gibt es ein Ende der "Ausschließeritis" in Wahlkämpfen und eine neue Offenheit bei Koalitionsoptionen.

SPD zieht stets klare Grenze zwischen Linke-Ost und Linke-West

Zudem gilt: Eine rot-rot-grüne Koalition mit einem Regierungschef der Linken wie sie in Thüringen möglich erscheint, hätte zwar noch vor Monaten als Signal für Rot-Rot-Grün im Bund verstanden werden können.
Dies scheint inzwischen aber eher unwahrscheinlich. Zu sehr hat sich die Linke im Bund durch ihren russlandfreundlichen Kurs von SPD und Grünen entfernt.

In SPD-Kreisen wird diese Option für 2017 derzeit als kaum realistisch angesehen. Zudem zieht die SPD stets eine klare Grenze zwischen pragmatischen Linken im Osten und Sektierern und SPD-Hassern — wie die SPD sie nennt — im Westen. Ein Bodo Ramelow, Linke-Spitzenkandidat in Thüringen, genießt dagegen Respekt.

In Umfragen liegt die Linke hinter der CDU auf Platz zwei, wäre auf SPD und Grüne angewiesen. Aber: Bisher regiert hier die CDU mit der SPD als Juniorpartner, ein Wechsel in ein rot-rot-grünes Bündnis wäre eine Brüskierung. "Das wäre kein Tabubruch", meint dagegen SPD-Vize Stegner. Es gelte der Grundsatz: "Wo hat die SPD die meisten Möglichkeiten, politischen Einfluss zu nehmen?" Interessant sei aber auch, wie die CDU künftig mit der AfD umgehen wolle, betont Stegner.

Seit Kurt Beck ist das Thema "Wie halten wir es mit der Linken?" ein kompliziertes. 2008 gab er Andrea Ypsilanti nach der Landtagswahl in Hessen einen Freifahrtsschein für eine Wahl zur Ministerpräsidentin mithilfe der Linken. Auch damals regierte im Bund eine große Koalition. Aber Kooperationen mit der Linken im Westen haben eine andere Sprengkraft als im Osten. Unionspolitiker forderten damals, die Koalition mit der SPD zu beenden, sollte sich Ypsilanti mit Linken-Hilfe wählen lassen. Was folgte, ist bekannt: Ypsilanti scheiterte am Widerstand in den eigenen Reihen.

In Brandenburg scheint die Lage klar

Gerade für die SPD, die unter einer enormen strukturellen Schwäche im Osten und Süden leidet, wird immer deutlicher: Ihr mangelt es aufgrund des Verharrens im 25-Prozent-Turm auf Bundesebene an einer Machtperspektive. Zumal angesichts der Entfremdung von der Linken. Nun bastelt Gabriel an einem neuen wirtschaftsfreundlichen Mitte-Kurs.

Für Kanzlerin Merkel dürfte sich durch die Wahlen nicht viel ändern. Im Bundesrat wird die große Koalition weiter auf die Zusammenarbeit mit den Grünen angewiesen bleiben. Aber: Wenn die SPD in Thüringen nicht mehr die Koalition mit der CDU will, könnte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht womöglich auch Schwarz-Grün wie in Hessen ins Auge fassen. Allerdings geben Umfragen das Bündnis bisher nicht her. Schwarz-Grün wäre schon eher ein Signal für die Bundestagswahl 2017.

Klarer scheint die Lage in Brandenburg, hier könnte die einzige rot-rote Koalition unter Führung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) weiter regieren. Möglich wäre hier eventuell auch ein Wechsel in ein Bündnis mit der CDU. Aber eigentlich wollen beide Parteien nicht, dass die schwarz-rote oder rot-schwarze Variante in Bund und Ländern zum Dauerzustand wird.

Sachsen und die AfD

Und auch in Sachsen wird die CDU wohl ihre Macht verteidigen können. Angesichts des Umfragentiefs des bisherigen Koalitionspartners FDP stellt sich nur die Frage, mit wem die Partei künftig zusammenkommen will. Ministerpräsident Stanislaw Tillich jedenfalls hat Koalitionsgespräche mit der AfD nicht völlig ausgeschlossen. Allerdings seien sie unwahrscheinlich, sagte er dem"Tagesspiegel am Sonntag". Die AfD sei "eine Partei, die noch nicht einmal im Landtag Sitz und Stimme hat".

(dpa)
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