Thomas Oppermann im Interview "Wir können 30 Prozent und mehr erreichen"

Berlin · SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hält zu seinem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel und fordert im Interview mit unserer Redaktion, die EU müsse ihre Außengrenze schon selbst schützen.

 Thomas Oppermann (Archivbild) fordert, dass die EU ihre Außengrenze selbst schützt.

Thomas Oppermann (Archivbild) fordert, dass die EU ihre Außengrenze selbst schützt.

Foto: dpa, cdt kno

Die SPD ist die älteste demokratische Partei Deutschlands. Ist sie bald Geschichte?

Oppermann Das ist Quatsch. Die SPD ist eine vitale Volkspartei mit starken Persönlichkeiten, die in der jetzigen Regierung so viel durchgesetzt hat wie selten zuvor. Ich bin stolz auf die Erfolge der SPD und sehe keinen Anlass für Kleinmütigkeit.

Warum liegt die SPD dann unter 20 Prozent?

Oppermann Das ist eine Momentaufnahme, für die es verschiedene Gründe gibt: Wir befinden uns in einer Zeit des politischen Umbruchs. Wir haben in den Umfragen ein Sechs-Parteien-System; da ist es nur natürlich, dass alle etablierten Parteien Prozente verlieren. Klar ist, dass es uns nicht ausreichend gelungen ist, unsere Erfolge in der großen Koalition den Menschen zu vermitteln. Darüber hinaus wissen wir aber auch, dass die Menschen weiterhin die Sozialdemokratie wollen. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir bei künftigen Wahlen auch 30 Prozent und mehr erreichen können.

Das müssen Sie uns erklären.

Oppermann Die SPD hat doch in Rheinland-Pfalz gerade 36 Prozent geschafft! Und alle Wahlforscher sagen uns, dass weit über 30 Prozent der Menschen grundsätzlich mit den Zielen der Sozialdemokratie übereinstimmen. Diesen Schatz müssen und werden wir heben.

Aber Sie haben in den drei Jahren große Koalition die Sozialpolitik dominiert, und es hat nichts geholfen.

Oppermann Wir sind der soziale Motor der Regierung. Die Menschen werden spüren, dass die Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, wie Mindestlohn, Frauenquote und die Rente mit 63, ihnen zugutekommen. Ein Teil der schlechten Umfragewerte ist sicherlich auch der Situation in der Flüchtlingspolitik geschuldet. Union und SPD haben deswegen beide zusammen über 15 Prozentpunkte verloren.

Würde ein SPD-Kanzler die Flüchtlingspolitik korrigieren?

Oppermann Ja. Für Flüchtlinge, die Arbeit und ein besseres Leben suchen, ist das Asylverfahren nicht der richtige Weg. Deshalb werden wir ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen, mit dem die Einwanderung von Fachkräften besser gesteuert wird. Das ist auch im wirtschaftlichen Interesse unseres Landes, weil immer mehr Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, als neue eintreten. Die Union weigert sich zwar, aber mit dem Integrationsgesetz haben wir einen ersten Schritt in Richtung Einwanderungsgesetz durchgesetzt.

Die Union will nicht mitmachen, da sie fürchtet, man müsse im Bundesrat zu große Zugeständnisse an die Grünen machen.

Oppermann Dieses Problem sehe ich nicht. Die Grünen wissen auch, dass der Staat die Kontrolle über die Einwanderung behalten muss. Dafür stehen Personen wie der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann. Wir werden jedenfalls im Herbst einen Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz vorlegen.

Bis dahin könnte eine neue Flüchtlingswelle über uns hereinbrechen.

Oppermann Das ist nicht auszuschließen, deshalb müssen wir vorbereitet sein. Wir brauchen ein funktionierendes Grenzsystem und eine neue europäische Flüchtlingsordnung.

Haben Sie einen Plan B, wenn der Deal mit der Türkei nicht klappt?

Oppermann Bislang ist die Türkei vertragstreu. Trotzdem müssen wir die EU-Außengrenzen selbst schützen.

Rot-Grün hat keine Mehrheit. Kommt jetzt Rot-Rot-Grün?

Oppermann Das Parteiensystem ist insgesamt in Bewegung. Ich rechne damit, dass wir den ersten Wahlkampf erleben, in der keine Partei eine Koalitionsaussage machen wird. Und genauso wird keine Partei ein Bündnis ausschließen, mal abgesehen von der Absage an die AfD. Welche Rolle die Linkspartei nach 2017 spielt, hängt zuallererst von ihr selbst ab.

Herr Gabriel sucht verzweifelt einen Kanzlerkandidaten. Interesse?

Oppermann Lassen Sie mal gut sein. Sigmar Gabriel macht einen sehr guten Job, und über den Kanzlerkandidaten entscheiden wir, wenn es so weit ist.

Michael Bröcker und Martin Kessler führten das Gespräch.

(brö)
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