Angeschlagen wirkender Innenminister Zurzeit häufen sich bei de Maizière die Pannen

Berlin · Bundesinnenminister de Maizière passieren gerade viele Pannen. Er wollte die Bevölkerung nach der Absage des Länderspiels nicht verunsichern. Das ging nach hinten los.

 Innenminister Thomas de Maizière beunruhigte die Deutschen mit einem Satz am Abend der Absage des Länderspiels Deutschland gegen Hannover.

Innenminister Thomas de Maizière beunruhigte die Deutschen mit einem Satz am Abend der Absage des Länderspiels Deutschland gegen Hannover.

Foto: dpa, wk kno

Es gibt Sätze, die haften an einem Politiker wie Uhu an einer Wolldecke. Ohne weiteren Schaden anzurichten, lässt sich das Malheur einfach nicht mehr entfernen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Dienstagabend bei der Pressekonferenz zur Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover einen solchen Satz. Er begründete sein beredtes Schweigen zu Fragen nach den konkreten Gründen mit dem Hinweis: "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern."

Der Satz ist dazu angetan, dass er die Menschen erst recht verunsichert. Das hat der Innenminister gestern Abend in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr de Maizière?" inzwischen auch eingeräumt. Auf die Frage, ob er Menschen verunsichert habe, sagte er: "Das kann sein." Ein Innenminister dürfe und müsse jedoch nicht alles sagen, was er wisse.

Dem Innenminister ist am Ende eines langen Tages, der im Zeichen der Terror-Bedrohung stand, damit ein grober handwerklicher Fehler unterlaufen. Vor solchen verbalen Pannen ist kein Spitzenpolitiker gefeit. Zumal de Maizière aktuell die Aufgabe zukommt, eine Sicherheit im Land zu garantieren, deren Koordinaten er nicht wirklich bestimmen kann. Im Berliner Regierungsviertel stellen dennoch immer mehr die Frage, ob de Maizière überfordert, überlastet, angezählt ist?

Ausgerechnet über de Maizière wird jetzt getuschelt. Um den angeschlagen wirkenden Innenminister von heute zu verstehen, muss man einen Blick auf seine Karriere werfen. Über Jahre gelang es ihm in seinen wechselnden herausragenden Positionen als Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei, Chef des Kanzleramts, als Landesminister in wichtigen Ressorts und in seiner ersten Wahlperiode als Innenminister, eine makellose Bilanz abzuliefern.

Kratzer bekam sein Image erstmals, als er sich in der Funktion des Verteidigungsministers in den Skandal um den Euro-Hawk verstrickte. Wer ihn damals schon länger kannte, den überraschte insbesondere sein schlechtes Krisenmanagement. So effizient es de Maizière als Kanzleramtsminister in der ersten großen Koalition stets gelungen war, Konflikte aufzulösen und für die anderen hinter den Kulissen die Strippen zu ziehen, so wenig vermag er in der Position des Krisenmanagers in eigener Sache zu punkten.

Zurzeit häufen sich bei ihm die Pannen. In der vergangenen Woche, bevor die Pariser Anschläge die öffentliche Wahrnehmung komplett belegten, diskutierte das Land über den Vorstoß des Innenministers, bei syrischen Flüchtlingen zur Einzelfallprüfung zurückzukehren und damit einen Teil der Syrer vom Familiennachzug auszuschließen.

De Maizière hatte den Vorstoß unternommen, ohne ihn mit dem Kanzleramt abzusprechen. Formal rechtlich durfte er das. Doch politisch war in seiner Abwesenheit etwas anderes vereinbart worden. Nun steht de Maizière, der anders als die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise früh eine Begrenzung und eine Wiederherstellung der Ordnung anmahnte, plötzlich als Scharfmacher da. Dabei war er einst zu Beginn der ersten großen Koalition als Gegenentwurf zum früheren Innenminister Wolfgang Schäuble angetreten. Während Schäuble die Bevölkerung schon mal vor Attentaten mit nuklear verseuchtem Sprengstoff warnte, mag de Maizière auch nach der Absage eines Länderspiels wie am Dienstag den Begriff Sprengstoffanschlag nicht in den Mund nehmen. De Maizière bekannte sogar in seinem ersten Interview als Innenminister, mit dem Begriff "Innere Sicherheit" könne er wenig anfangen. Es war der Versuch, das Pathos aus der Innenpolitik zu nehmen, dass die Deutschen nur sicher sind, wenn eine Art Sheriff im Innenministerium sitzt.

Nun fällt ausgerechnet in seine Amtszeit der bisher schlimmste Terroranschlag in Europa mit einer auch in Deutschland unübersichtlichen Sicherheitslage. Der Innenminister gilt als nervenstark und belastbar. Seine preußischen Tugenden sind oft beschrieben worden. Doch auch diejenigen, die ihn gut kennen und sehr schätzen, sagen, dass de Maizière seit einer ganzen Weile angespannt wirke. Manch einer meint zudem, dass er sich von einer schweren Grippe im Spätsommer nicht ausreichend erholt habe.

Seitdem die Flüchtlingskrise Anfang September so dramatische Formen angenommen hat, muss de Maizière nicht nur den Zustrom mit Ländern und Kommunen regeln. Er steckt auch inhaltlich in einem Dilemma. Er war schon immer loyal zur Kanzlerin, wie man nur loyal sein kann. Wenn man früher wissen wollte, ob diese oder jene Entscheidung der Kanzlerin kritikwürdig sei, dann lachte er nur und sagte: "Sie kennen mein Verhältnis zur Kanzlerin", was hieß: Kritische Fragen zu Merkel müssen Sie mir nicht stellen. Im Prinzip verhält er sich auch heute noch so. Es fällt ihm aber viel schwerer, weil er in der Flüchtlingskrise dringend zu Recht und Ordnung zurückkehren möchte. Er wirkt verunsichert in seiner Rolle als treuer Gefährte der Kanzlerin. Zumal er in der Flüchtlingskrise auch nicht wirklich gut behandelt wurde. Zunächst ließ Merkel ihn mit Organisation und Koordination der vielen Probleme lange Zeit allein. So musste die späte Bestellung Altmaiers als Flüchtlingskoordinator wie eine Entmachtung des Innenministers aussehen.

(qua)
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