Pöbeleien am Tag der Deutschen Einheit Dresdner Polizei gerät unter Druck

Berlin/Dresden · Bundestagspräsident Lammert zeigt sich ernüchtert darüber, dass in Dresden die Mehrheit einer lautstarken Minderheit das Feld überließ. Ein Polizist wünschte Pegida einen "erfolgreichen Tag". Das erntet Kritik.

Rechte marschieren in Dresden am Tag der Deutschen Einheit 2016
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Rechte marschieren in Dresden am Tag der Deutschen Einheit

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Foto: dpa, wil tmk

Wegen eines unterschiedlichen Umgangs mit rechten und linken Demonstranten ist die sächsische Polizei ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Bei den Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden habe die Polizei linke Protestteilnehmer fernab des Geschehens eingekesselt, Anhänger von Pegida jedoch ungehindert die Feiern stören und prominente Politiker anpöbeln lassen, kritisierten SPD, Linke und Grüne. Die Polizisten hätten der Pegida-Kundgebung faktisch "assistiert", meinte die sächsische Linke. Ein Einsatzführer hatte Pegida das Verlesen von Demonstrationsauflagen abgenommen und einen "erfolgreichen Tag" gewünscht. Teilnehmer des Gottesdienstes ließ die Polizei unmittelbar durch die Reihen der Demonstranten laufen, die die Gäste mit Trillerpfeifen und Rufen wie "Haut ab", "Volksverräter" und obszönen Beleidigungen empfingen.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) bescheinigte den Polizisten, sie hätten den "schwierigen Spagat zwischen Fest und Festung insgesamt mit Fingerspitzengefühl gemeistert". Dagegen kritisierte Innenausschuss-Chef Ansgar Heveling (ebenfalls CDU) die guten Wünsche der Polizeiführung an Pegida. Die Polizei habe die öffentliche Sicherheit insgesamt zu gewährleisten. "Damit ist es nicht zu vereinbaren, in Uniform und offizieller Funktion Sympathie für Demonstrationsanliegen gleich welcher Art zu bekunden", sagte Heveling unserer Redaktion. Schon der Anschein einer Parteinahme könne der Polizei schaden. "Da ist eine klare und eindeutige Ansprache der Polizeiführung gefragt", forderte Heveling.

Die Wortwahl des Polizeikommandeurs, er wünsche Pegida einen "erfolgreichen Tag", nannte Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth "vollkommen daneben". Es sei wichtig, dass sich die sächsische Polizei inzwischen davon distanziert und eine Überprüfung angekündigt habe. Nur wenn die Polizei schon den bloßen Anschein einer Unterstützung vermeide, lasse sich auch die nun aufkommende Frage vermeiden, ob sie "möglicherweise zu nachgiebig gewesen" sei. Auch die Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten kritisierte, dass der Abstand zwischen den Gästen der zentralen Feier in der Frauenkirche und den Demonstranten viel zu gering gewesen sei. Die Demonstration, die zu einem Spießrutenlauf für Gottesdienstbesucher wurde, war dort nicht angemeldet und eigentlich sogar ausdrücklich untersagt, wurde von der Polizei jedoch geduldet.

Dresden: Angela Merkel und Joachim Gauck vor der Frauenkirche beschmipft
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Merkel und Gauck vor der Frauenkirche beschmipft

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Foto: rtr, FAB/joh

"Die verbalen Äußerungen beziehungsweise die Trillerpfeifen werten wir als Form der Meinungsäußerung", erläuterte die sächsische Polizei. Von "Hass-Spalieren", die rechte Pöbler an allen symbolträchtigen Orten der Stadt hätten bilden können, sprach der sächsische Linken-Chef Rico Gebhardt. Von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Innenminister Ulbig forderte er die "klare Ansage" an die Sicherheitsbehörden, "dass so Versammlungsfreiheit in der Demokratie nicht aussieht".

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hinterfragte die ausbleibenden Reaktionen der Zehntausenden übrigen Festteilnehmer. "Was mich ernüchtert hat: Dass eine so kleine, lautstarke Minderheit von der großen Mehrheit das Feld überlassen bekommen hat", sagte er unserer Redaktion. Bundespräsident Joachim Gauck sprach in Bezug auf die Vorfälle in Dresden von einem "Regentag", an dem sich "nicht alle so gefreut haben, wie sie es hätten tun können".

(may-)
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