Sterbehilfe Gut gemacht, Bundestag!

Meinung | Berlin · Das Parlament hat in Sachen Sterbehilfe den Mittelweg gewählt – Verbot von Sterbehilfe-Vereinen, aber auch Straffreiheit für assistierten Suizid. Das ist kein lauer Kompromiss, sondern weise und demütig. Oder christlich gesagt: barmherzig.

 Mitglieder des Bundestags bei der Abstimmung am Freitag.

Mitglieder des Bundestags bei der Abstimmung am Freitag.

Foto: dpa, bvj gfh

Das Parlament hat in Sachen Sterbehilfe den Mittelweg gewählt — Verbot von Sterbehilfe-Vereinen, aber auch Straffreiheit für assistierten Suizid. Das ist kein lauer Kompromiss, sondern weise und demütig. Oder christlich gesagt: barmherzig.

Geht doch! Es ist nicht nur eine gute Nachricht, dass der Bundestag das Verbot von Sterbehilfe-Vereinen beschlossen hat. Die gute Nachricht ist zunächst, dass er überhaupt etwas beschlossen hat. Danach hatte es nämlich zwischenzeitlich nicht unbedingt ausgesehen — die Unterstützer zweier sehr liberaler Gesetzentwürfe hatten sich gegen den moderaten Entwurf verbündet, der nun letztlich gesiegt hat. Es wäre ein Armutszeugnis gewesen, wenn sich die Gruppen am Ende gegenseitig blockiert hätten und alles so geblieben wäre, wie es ist. Bei allem legitimen, auch grundsätzlichen Streit in der Sache: Der Bundestag ist nicht der Gesetzverhinderer, sondern der Gesetzgeber. Zwar steht die nun beschlossene Regelung im Ruch, nur auf Druck der Fraktionsvorsitzenden zustande gekommen zu sein, obwohl doch die Fraktionsbindung aufgehoben war. Am Ende ist das aber nicht mehr als ein Schönheitsfehler.

In der Sache jedoch hat der Bundestag weise beschlossen — erstens: geschäftsmäßige Sterbehilfe wird verboten; zweitens: aber assistierter Suizid im Einzelfall bleibt straffrei. Wer das Treiben von Gestalten wie dem ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch beobachtet, kann über Punkt eins nur erleichtert sein. Wer glaubt, Werbung für den Freitod sei wünschenswert, pervertiert die Freiheit der Individuen, die an diesem Vorgang beteiligt sind — nicht nur des Suizidenten, sondern auch des Arztes und der Angehörigen. Eine Selbsttötung bleibt aber der krasseste Akt, zu dem ein Mensch sich selbst gegenüber imstande ist, Ergebnis einer extremen psychischen und meist auch körperlichen Belastung. Hier von Freiheit zu reden, ist häufig nichts anderes als Leichtfertigkeit.

Weil aber der Gesetzgeber sich andererseits auch nicht anmaßen sollte, seinen Bürgern (seien sie Ärzte oder Patienten) vorzuschreiben, welche Freiheit sie denn meinen und welche Freiheit sie sich nehmen wollen, solange sie damit niemand anderem schaden, lässt das neue Gesetz eine Lücke. Wer einem Sterbewilligen das tödliche Medikament überlässt, damit dieser es selbst einnimmt, bleibt straffrei, solange er das nicht regelmäßig tut. Das ist eine humane, christlich gesagt: barmherzige Entscheidung. Es ist zugleich eine riesige Herausforderung vor allem für die Ärzte. Aber das ist der Preis der Humanität. Keine Rechtsnorm wird je alle Einzelfälle des Sterbens erfassen; in jeder Rechtsnorm, die sich das anmaßt, steckt Unbarmherzigkeit. "Freiheit zum Grenzfall" hat das Nikolaus Schneider genannt, ehemals rheinischer Präses und über die Krebserkrankung seiner Frau selbst ganz konkret mit dem Thema konfrontiert.

Gottlob hat sich der Bundestag nicht von Umfragen beeindrucken lassen, die Dreiviertelmehrheiten für die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe ergeben, also für die Tötung auf Verlangen. Das überschritte den angemessenen Freiheitsrahmen, weil es einem Menschenbild widerspricht, das zwar von Selbstbestimmung und Aufgeklärtheit ausgeht, aber auch davon, dass Suizid nie eine Lösung unter vielen werden darf.

Christlich muss dieses Menschenbild dafür gar nicht sein. Dinge aber auch nicht bis ins buchstäblich Letzte zu regeln, entspringt der Einsicht, dass das Leben stets komplizierter ist, als wir es uns vorstellen können. Der Bundestag hat eine selten gewordene Tugend gezeigt: Demut.

(fvo)
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