Merkels Türkei-Politik SPD und Grüne üben scharfe Kritik

Düsseldorf (RPO). Die Türkei-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bei SPD und Grünen auf scharfe Kritik gestoßen. Derweil äußerte sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sehr zufrieden über sein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Merkel besucht die Türkei
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"Wer die Integration türkischer Migrantinnen und Migranten in Deutschland vorantreiben will, darf die Integration der Türkei in die EU nicht für unmöglich halten", sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz der Onlineausgabe des "Handelsblatts". Die Politik der Kanzlerin, einen EU-Beitritt der Türkei abzulehnen und zugleich eine bessere Integration türkischstämmiger Menschen in Deutschland zu fordern, sei daher "nicht logisch".

Scholz forderte, die Integration durch bessere Schulen zu fördern. "Junge Migranten müssen spätestens in der Schule - möglichst schon im Kindergarten - Deutsch lernen", sagte der SPD-Politiker. "Und die Schulen müssen es schaffen, dass alle auch einen Schulabschluss erreichen."

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte am Dienstag im Bayerischen Rundfunk, die Forderung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan nach türkischen Schulen in Deutschland kurz vor Merkels Türkei-Reise sei möglicherweise missverständlich gewesen. Diese Angelegenheit hätte die Kanzlerin jedoch auch einfacher aus dem Weg räumen können.

"Da greift man zum Hörer unter guten Freunden und sagt, wie hast Du das denn gemeint", sagte Özdemir. Die Aufregung in Deutschland über Erdogans Forderung habe offenbar mit Vorbehalten gegenüber dem Türkischen zu tun. "Wenn Sie das Wort türkisch ersetzten durch spanisch, gäbe es eine Nullreaktion und Frau Merkel und ihre Parteifreunde würden nichts dazu sagen", sagte der Grünen-Chef.

Özdemir warf der Kanzlerin überdies eine inkonsequente Haltung gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei vor. "Frau Merkel gehört zu der Partei, die kein Problem damit hatte, dass Bulgarien und Rumänien unter Zeitdruck in die Union aufgenommen worden sind", sagte er. Dabei sei bekannt gewesen, dass diese beiden Länder die Beitrittsbedingungen nicht erfüllten. Es gebe also "Länder, bei denen will man die Mitgliedschaft, egal wie die Zustände sind, und bei anderen Ländern sagt man, selbst wenn Ihr die Voraussetzungen erfüllt, wir wollen Euch trotzdem nicht".

Erdogan bezeichnete derweil das Gespräch mit Merkel in Ankara als "unglaublich erfolgreich". Das sagte er laut einem Bericht der Zeitung "Hürriyet". Der Streit über die Einrichtung türkischer Gymnasien sei vom Tisch. "Da gibt es kein Problem." Merkel setzte unterdessen ihren Türkei-Besuch in Istanbul fort.

Nach vorheriger Ablehnung hatte sich Merkel am Montag offen für türkische Schulen in Deutschland gezeigt, solange dies nicht bedeute, dass türkische Schüler das Deutschlernen vernachlässigten. Möglich seien zweisprachige Schulen in der Bundesrepublik nach dem Modell der deutschen Schule in Istanbul, die Merkel am Dienstag besuchen wollte. "Zwei Sprachen - eine Schule", titelte die Zeitung "Milliyet" am Dienstag.

In der Frage des türkischen EU-Beitritts blieben die Differenzen zwischen Merkel und Erdogan dagegen bestehen. Die Kanzlerin schlägt der Türkei eine "privilegierte Partnerschaft" als Ersatz einer EU-Vollmitgliedschaft vor, was Ankara ablehnt. Laut "Hürriyet" sprach Erdogan in der Begegnung mit Merkel auch die türkische Forderung nach einer Aufhebung der Visumspflicht für Türken bei Reisen nach Deutschland an. Merkel habe vorgeschlagen, die deutsche und die türkische Seite sollten bei diesem Thema zusammenarbeiten.

In Istanbul wollte Merkel am Dienstag die Hagia Sophia und die Blaue Moschee besuchen, mit deutschen Schülern sprechen und die protestantische deutsche Gemeinde treffen. Zusammen mit Erdogan nimmt die Kanzlerin außerdem an einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum teil. Für den Abend war Merkels Rückflug nach Deutschland vorgesehen.

(AFP/das)
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