Personalfragen bei der SPD Sigmar Gabriel und Martin Schulz geraten unter Druck

Berlin · EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kommt nach Berlin, die Personalfragen bei der SPD bleiben offen. Jetzt ist der Parteivorsitzende am Zug.

 Wer wird was bei der SPD? Gabriel und Schulz äußern sich noch nicht konkret. (Archivfoto)

Wer wird was bei der SPD? Gabriel und Schulz äußern sich noch nicht konkret. (Archivfoto)

Foto: dpa, mkx htf tba

Leicht fiel ihm die Rede am Donnerstagmorgen nicht, das war Martin Schulz (SPD) anzusehen. Der Chef des Europäischen Parlaments gab nach fünf Präsidentschaftsjahren mit etwas zittriger Stimme seine Entscheidung bekannt, keine weitere Amtszeit anzustreben und stattdessen in die Bundespolitik zu wechseln.

Dem Vernehmen nach hatte der Chef der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), Schulz am Mittwoch klargemacht, dass er bei einer Kampfabstimmung keine Chance auf Stimmen aus der EVP habe. Weber pochte dabei auf seine Abmachung mit Schulz nach der letzten Wahl, wonach die Präsidentschaft vorzeitig an die EVP zu übergeben sei.

Damit stehen der SPD-Spitze nun schwierige Zeiten bevor. Denn Schulz sagte zwar, er werde im kommenden Jahr auf Platz eins der NRW-Landesliste für den Bundestag kandidieren. Er ließ aber offen, ob er zudem als Nachfolger von Bundespräsident in spe Frank-Walter Steinmeier (SPD) das Außenministerium oder gar die Kanzlerkandidatur samt SPD-Vorsitz übernehmen wolle. Die drängenden Personalfragen der Sozialdemokraten sind also weiterhin völlig offen.

Und sie laufen zuallererst auf eine Entscheidung von Parteichef Sigmar Gabriel hinaus. Er hat das Recht, die Kandidatur selbst zu übernehmen oder eine andere Person — etwa Martin Schulz — vorzuschlagen.

Einigkeit, dass Kandidatur und Vorsitz nicht nochmal getrennt sein sollen

Die einfachste Variante: Sigmar Gabriel entscheidet sich als Parteichef und Vizekanzler, auch Spitzenkandidat im 2017er Wahlkampf zu werden. Dann könnte Schulz das Außenministerium übernehmen, sich in den neuen Job mit Antrittsbesuchen in aller Welt einarbeiten und zu Hause flankierend beim Wahlkampf helfen. Außerdem würde das für ihn keine Karriere-Sackgasse bedeuten. Schulz könnte, je nach Wahlergebnis, entweder wieder einen Kabinettsposten in einer Regierung mit SPD-Beteiligung übernehmen. Oder er könnte, sollten die Wähler Kanzlerkandidat Gabriel und die Sozialdemokraten in die Opposition schicken, den Parteivorsitz vom gescheiterten Gabriel erben.

Deutlich schwieriger wird es aber, wenn Gabriel, der im Frühjahr noch einmal Vater wird, sich gegen die Kanzlerkandidatur entscheiden sollte. Schulz wäre bereit, diesen Job in einem Bundestagswahlkampf zu übernehmen, von dem alle sagen, dass er in Zeiten internationaler Krisen und gegen aufstrebende Rechtspopulisten sehr hart wird. Doch Schulz, so heißt es in der Partei, habe eine klare Bedingung an Gabriel: Er will dann auch Parteichef werden. Zumal Einigkeit herrscht, dass Kandidatur und Vorsitz nicht noch einmal getrennt sein sollten. Doch dieses Amt will Gabriel eben nicht aus der Hand geben.

Als völlig unrealistisch gilt, dass Schulz Kanzlerkandidat und Außenminister wird. Als neuer deutscher Außenminister in einer international angespannten Lage müsste er weltweit präsent sein und könnte nicht gleichzeitig auf deutschen Marktplätzen für sich werben. Zumal ja auch dann noch der Parteivorsitz hinzukäme selbst einen vielreisenden, zähen Martin Schulz könnte das an die Belastungsgrenzen bringen. Außerdem: Was würde dann aus Gabriel?

Der wiederum ist noch unentschlossen, in welcher Rolle er Wahlkampf führen möchte — sollte er sich für die Kanzlerkandidatur entscheiden. Er liebäugelt damit, sich aus dem Korsett des Bundesministers und Vizekanzlers zu befreien und beispielsweise als Fraktionschef mit mehr Freiheiten die unionsgeführte Regierung angreifen zu können.

Fraktionschef Thomas Oppermann, der zu Beginn der Wahlperiode gerne ein Ministeramt genommen hätte, ist nun aber nicht bereit, seinen Posten zu räumen und als Ausputzer irgendein Ministerium zu übernehmen, das im Geschacher zwischen Schulz und Gabriel übrigbleibt. Oppermann kommentiert das nicht. Auch nicht, dass er als Nachfolger für das Auswärtige Amt gehandelt wird.

"Ich bin gerne Fraktionsvorsitzender und will das auch bleiben", sagte er nun ein weiteres Mal, betonte jedoch, dass es beim geplanten Verfahren bleibe. "Der Zeitplan zur Benennung des Kanzlerkandidaten der SPD steht", sagte Oppermann. "Ende Januar werden wir ihn bekannt geben, das haben wir am vergangenen Montag beschlossen." Auch über den Posten des Außenministers soll dann entschieden werden vor Weihnachten rechnet man im SPD-Parteivorstand nicht mit einer Regelung.

Und so muss die enge Freundschaft zwischen Gabriel und Schulz derzeit ungewöhnlich viel Druck standhalten. Sie geht auf das Jahr 2004 zurück. Gabriel war gerade als Ministerpräsident von Niedersachsen abgewählt worden, verzichtete aber darauf, Schulz den Spitzenplatz bei der Europawahl streitig zu machen. Der leidenschaftliche Europapolitiker Schulz ist Gabriel dafür dankbar, hält loyal zu ihm. Eine Kampfkandidatur hält man in der SPD für ausgeschlossen.

Gleichwohl würden beispielsweise viele niedersächsische Genossen eine Kandidatur von Schulz befürworten. Das liegt auch an Umfragewerten, wonach Schulz nicht nur höhere Beliebtheitswerte als Gabriel erhält, sondern ihm auch bessere Chancen im Rennen gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vorhergesagt werden.

Unterdessen freuten sich die Jungsozialisten in der SPD auf einen angekündigten Auftritt von Martin Schulz beim Juso-Bundeskongress am Wochenende in Dresden. Schulz sagte jedoch gestern Abend aus Gesundheitsgründen kurzfristig ab. Auch Gabriel hatte die Einladung ausgeschlagen.

(jd / qua)
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