Social Bots Wenn Roboter Wahlkampf machen

Berlin · Künstlich erzeugte Kommentare von "Social Bots" verfälschen im Netz politische Meinungsbildung. Kommt der Trend nun auch zu uns?

 Die Stiftung Neue Verantwortung warnt mit Blick auf die Bots vor Hysterie. Aber ist wirklich alles so harmlos?

Die Stiftung Neue Verantwortung warnt mit Blick auf die Bots vor Hysterie. Aber ist wirklich alles so harmlos?

Foto: Zörner

Im politischen Meinungskampf geht es um Argumente, vor allem aber geht es um Gewinner und Verlierer. Schließlich sollen am Ende eines Wahlkampfes die Abstimmungen auch gewonnen werden. Da kommt es Parteien, Interessenverbänden oder deren Gegnern sehr gelegen, wenn sie die öffentliche Wahrnehmung ihrer Inhalte beeinflussen können - und damit möglicherweise auch die Wahlentscheidungen hunderttausender Bürger.

Technisch möglich machen das sogenannte "Social Bots", abgeleitet vom englischen Wort "robots". Diese Programme erzeugen künstlich tausende Nutzerprofile in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook. Die Profile sehen samt Foto zwar authentisch aus, sind es jedoch nicht und können beliebig ferngesteuert werden, um massenweise Kommentare abzugeben. Zudem sind sie günstig zu haben: So werden im Netz 10.000 künstlich erstellte Twitter-Konten als Follower für weniger als 500 US-Dollar (rund 460 Euro) angeboten.

Jeder dritte Tweet von Trump

Zum Einsatz kamen solche Bots zuletzt vor allem in der Ukrainekrise, vor der Abstimmung der Briten über einen EU-Austritt oder nun im US-Wahlkampf zwischen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und ihrem republikanischen Herausforderer Donald Trump. Vor allem Trump hatte einer Studie zufolge Rückendeckung durch Bots auf Twitter erhalten, indem der Kurznachrichtendienst mit positiven Kommentaren über Trump geflutet wurde.

Die Oxford University ermittelte beispielsweise, dass nach der ersten TV-Debatte am 26. September mehr als jeder dritte Tweet (37,2 Prozent) in Unterstützung von Trump von einem Software-Roboter abgesetzt worden war. Aber auch Clinton profitierte demnach von Bots. Bei ihr lag der künstlich generierte Anteil der positiven Kommentare immerhin noch bei 22,3 Prozent.

Aber ist es erwiesen, dass sich Menschen in ihrem Wahlverhalten danach richten, was in sozialen Netzwerken (durch künstliches Nachhelfen) als Topthema diskutiert wird? Aktuellen Studien zufolge beantworten das 95 Prozent der Wähler mit "nein". Gleichzeitig wollen die Forscher der Oxford University einen Effekt gemessen haben, dass sich Menschen in sozialen Netzwerken durchaus von einer hohen Anzahl von Likes oder Zustimmungen beeindrucken lassen - und dann leichter diese Meinungen übernehmen. Die Meinungsbildung kann demnach durch die schiere Masse an einhelligen Botschaften gesteuert werden.

Damit verknüpft ist die Sorge im Westen, dass autoritäre Staaten wie Russland gezielt Einfluss auf den politischen Prozess in freien Demokratien nehmen könnten. So werfen die US-Geheimdienste Moskau nun erstmals offiziell vor, mit Hackerattacken direkt in den Wahlkampf in den USA einzugreifen. Zudem werfen europäische Dienste Russland vor, systematisch rechtsnationalistische Bewegungen in den EU-Staaten durch sogenannte Troll-Kommentare und Desinformationskampagnen zu fördern. Medienberichte gingen um die Welt, wonach es in Russland sogenannte "Troll-Fabriken" gebe. Hunderte Menschen würden dort für Geld Kommentare im Sinne staatlicher Propaganda schreiben. Bots sind nun gewissemaßen die technische Weiterentwicklung dieser bezahlten Trolls.

Aber werden diese auch 2017 im Bundestagswahlkampf zur Anwendung kommen? Die im Bundestag vertretenen Parteien sowie die FDP haben das bereits unisono entschieden für sich abgelehnt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich zuvor besorgt gezeigt, dass dieser Trend auch nach Deutschland schwappen könnte und regte gar einen Schulterschluss mit der politischen Konkurrenz an. Der blieb jedoch aus.

Die AfD teilte nun aber als einzige Partei mit, durchaus zu dem Instrument Bots greifen zu wollen. "Selbstverständlich werden wir Social Bots in unsere Strategie im Bundestagswahlkampf einbeziehen", sagte Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel dem Magazin "Spiegel". "Gerade für junge Parteien wie unsere sind Social-Media-Tools wichtige Instrumente, um unsere Positionen unter den Wählern zu verbreiten", sagte sie am Freitag. Uneingeschränkt wolle man das nicht nutzen, ergänzte Weidel nun nach herber Kritik aus anderen Parteien am Wochenende.

Vorschub für die Rechten

Stefan Heumann, Vorstandsmitglied der Stiftung Neue Verantwortung und Experte für Digitalpolitik, warnt unterdessen davor, hysterisch auf das Phänomen Bots zu reagieren. Diese könnten nicht wählen gehen, sagte er. Dennoch hätten sie das Gefahrenpotenzial, Rechtspopulisten und deren Thesen von einer manipulierten Meinung in der Öffentlichkeit Vorschub zu leisten.

Gleichwohl kündigten alle Parteien an, im anstehenden Wahlkampf mit ihren Instrumenten viel stärker auf das Internet und die Sozialen Netzwerke setzen zu wollen. "Die Grenzen zwischen Online und Offline lösen sich immer mehr auf, Kampagnen müssen beides miteinander verknüpfen", sagte etwa CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Der Ausbau von Videoangeboten, zugeschnitten auf Soziale Netzwerke, gewinne an Bedeutung. Zudem deutete Tauber an, mit dem Dienst Snapchat oder neuen Formaten wie Instagram Stories experimentieren zu wollen, hinzu kämen deutlich mehr Videokonferenzen mit CDU-Spitzenpolitikern. Auch bei der SPD will man den datenbasierten Wahlkampf vorantreiben und stärker auf Videos setzen.

Der Politikberater und Blogger Martin Fuchs sieht die Parteien damit auf dem richtigen Weg. Lücken gebe es jedoch viele. "Die deutschen Parteien könnten noch deutlich mehr über ihre Wähler und Anhänger wissen", sagte Fuchs. Daten, die sie auf legalem Weg sammeln könnten, würden bisher unterschätzt. Seinen Angaben zufolge verfügen die Parteien nur bei 30 Prozent ihrer Mitglieder über E-Mail-Adressen. Bei Mobilnummern sei der Anteil noch wesentlich geringer. Eine Ansprache etwa über Whatsapp sei so kaum möglich, kritisiert Fuchs.

Er rechnet damit, dass die großen Parteien zwischen 15 und 20 Prozent ihres Wahlkampfbudgets in digitale Instrumente fließen lassen werden. "Das würde in etwa eine Verdreifachung zum letzten Wahlkampf bedeuten", sagte Fuchs. Bisher kosteten die hiesigen Kampagnen rund 20 Millionen Euro. Wie weit das jedoch von den finanziellen Mitteln der US-Wahlkämpfer und damit von den dortigen Digitalressourcen entfernt ist, macht dieser Vergleich deutlich: 2012 verschlang der Wahlkampf zwischen Barack Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney 5,8 Milliarden Dollar.

(jd)
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