Fragen und Antworten Terrorgefahr für Deutschland

Berlin · Die Wahrscheinlichkeit, dass IS-Terroristen oder deren Sympathisanten in Deutschland einen Anschlag verüben könnten, gilt als hoch. Die Sicherheitsbehörden reagieren bei konkreten Hinweisen mit Absagen von Veranstaltungen.

 Polizisten stehen am 17. November 2015 im Stadion von Hannover, das nach einer Bombendrohung geräumt wurde.

Polizisten stehen am 17. November 2015 im Stadion von Hannover, das nach einer Bombendrohung geräumt wurde.

Foto: dpa

Die Liste deutscher Terroropfer wird immer länger. Nach den Attentaten von Tunesien und Frankreich hat der Selbstmordanschlag auf deutsche Urlauber in Istanbul Trauer und Entsetzen ausgelöst. Die wichtigsten Fragen zur aktuellen Terrorbedrohung in Deutschland.

Ist nach dem Attentat in Istanbul auch Deutschland selbst mögliches Anschlagsziel?

Unabhängig von der Bluttat in der Türkei steht Deutschland bereits seit Monaten im Fokus des internationalen Terrorismus. Auch hier könnten islamistische Terroristen einen Angriff auf die westliche Lebensart starten. Wie aus einer internen Lageanalyse des Innenministeriums hervorgeht, hat der IS insbesondere zu Anschlägen gegen die USA, Frankreich, Kanada, Australien, Großbritannien, Russland, Belgien und Deutschland aufgerufen.

Hat sich das Anschlagsrisiko erhöht?

Die abstrakte Gefahr ist bereits so hoch, dass - so BKA-Chef Holger Münch - "jederzeit mit Anschlägen gerechnet werden muss". Wo aus der abstrakten eine konkrete Gefahr werden könnte, tendieren die Sicherheitsbehörden im Zweifel zu Absagen oder Räumungen - so beim Länderspiel in Hannover, beim Karnevalszug in Braunschweig, in der Silvesternacht in München, beim Radrennen in Frankfurt. Derzeit liegen, so hieß es am Nachmittag aus Sicherheitskreisen, keine weiteren konkreten Hinweise vor, auch nicht auf eine besondere Gefährdung großer Rosenmontagszüge.

Erhöht die aktive Beteiligung der Deutschen am Kampf gegen den IS die Terrorgefahr?

Dieses Risiko sehen die Sicherheitsbehörden durchaus. Das "militärische Engagement" in Syrien und im Irak wird als "Kernargument" angeführt, um Gewalt gegen "deutsche Interessen weltweit zu legitimieren", heißt es in dem Papier des Innenministeriums.

Welche Rolle spielen die Syrien-Kämpfer?

Es handelt sich um einen Personenkreis von knapp 800 Islamisten, die aus Deutschland in den Dschihad gezogen sind. Der Verfassungsschutz schätzt, dass mehr als 130 von ihnen ums Leben gekommen sind. Ein Drittel soll zurückgekehrt sein - zum Teil frustriert, zum Teil ernüchtert, zum Teil aber auch radikalisiert und mit Kampferfahrung besonders gefährlich. Die als "Gefährder" eingeschätzten Personen, die also einen Anschlag begehen könnten, werden von den Sicherheitsbehörden beobachtet - aber ohne konkreten Verdacht nicht lückenlos. Insgesamt schätzen die Sicherheitsbehörden die islamistische Szene in Deutschland auf mehr als 43.000 Personen - darunter seien über 400 Gefährder und 300 weitere "relevante" Personen, die für politisch motivierte Straftaten infrage kommen könnten.

Gibt es typische Ziele für Terroranschläge?

Die Täter sind einerseits an medienwirksamer Inszenierung interessiert - deshalb der (gescheiterte) Versuch, während des Länderspiels ins Pariser Fußballstadion zu kommen. Andererseits zeigten die Attacken auf französische Cafés und die Reisegruppe in Istanbul das Bestreben, die westliche Bevölkerung in möglichst große Panik zu versetzen. "Niemand soll sich sicher fühlen, nirgendwo", sagt Münch. In dem Analyse-Papier des Innenministeriums heißt es, bei den vom IS angegriffenen Zielen handele es sich um "weiche" Ziele, deren Angriff "in besonderem Maße geeignet" sei, die Bevölkerung zu verunsichern.

Welche Taktik könnten Attentäter in Deutschland verfolgen?

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass ein Anschlag in Deutschland ähnlich ablaufen könnte wie in Paris. Der Anschlag dort sei ein Novum für den westlichen europäischen Raum gewesen, heißt es vom Innenministerium. Die Attentäter seien gut ausgerüstet gewesen und hätten in mehreren mobilen Zentren agiert. Fachleute sprechen vom "Mumbai-Stil". In der indischen Metropole Mumbai hatten Terroristen 2011 innerhalb von 15 Minuten drei Bomben auf belebten Straßen gezündet, um größtmögliches Leid in der Bevölkerung anzurichten.

Tauschen sich die Behörden aus?

Bereits als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 haben Bund und Länder alle Behörden an einen Tisch geholt und das ständig verfügbare "Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum" geschaffen, das täglich eingehende Meldungen austauscht und bewertet. Ein ähnliches Netzwerk existiert auf europäischer Ebene. Jedoch sehen Politiker Grund zu der Forderung, die internationale Zusammenarbeit noch weiter auszubauen.

(may-, qua)
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