Sicherheit in Deutschland Was vor Terror schützt

Berlin · Nach den Anschlägen in Bayern will Kanzlerin Angela Merkel mit einem Maßnahmenpaket das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken. Fünf Bausteine können im Kampf gegen IS und andere tatsächlich Wirkung zeigen.

 Ein Polizist mit Spezialausrüstung während der Amoklage in München in der vergangenen Woche.

Ein Polizist mit Spezialausrüstung während der Amoklage in München in der vergangenen Woche.

Foto: Matthias Balk

Die beiden Täter von Würzburg und Ansbach sind tot, doch die Anschläge mit Bezügen zur Terrormiliz Islamischer Staat haben gezeigt, dass es nicht nur eine abstrakte Gefahr gibt, sondern dass der islamistische Terror sehr konkret in Deutschland angekommen ist. Wie sie die Menschen besser schützen und ihnen wieder mehr Vertrauen in die Sicherheit geben will, hat die Bundeskanzlerin am Donnerstag erläutert und einen Neun-Punkte-Plan vorgelegt. Was hilft wirklich im Kampf gegen den Terror?

Pläne aufdecken

2002 das Al-Tahwid-Netzwerk, 2007 die Sauerland-Gruppe, 2011 die Düsseldorfer Zelle, diesen Juni die mutmaßlichen IS-Anhänger mit angeblichen Anschlagsplänen in der Düsseldorfer Altstadt - für die Verhinderung von Terroranschlägen ist das nachrichtendienstliche Eindringen in die Terrornetzwerke und ihre Kommunikation das A und O. Je besser die Kooperation der Dienste funktioniert, desto effizienter ist die Terrorabwehr. Die systematische Erfassung potenzieller Täter und ihrer Reisewege bildet eine weitere Grundlage, erst recht der internationale Datenaustausch, der in Europa immer noch Lücken aufweist. Viele Terror-Absprachen laufen inzwischen in verschlüsselten Netzwerken. Eine zentrale Stelle, die diese Sperren knacken kann, ist in Deutschland erst in der Planung. Da der IS seine Anhänger aufgefordert hat, auf eigene Faust den Dschihad auf deutsche Straßen zu tragen, ist ein Frühwarnsystem, das Einzelradikalisierung besser erfasst, eine wichtige Ergänzung.

Umfeld austrocknen

Potenzielle Terroristen setzen sich dort fest, wo sie sicher vor Verfolgung sind und sich von Sympathisanten getragen fühlen. Frühere und aktuelle Terrorbewegungen waren umso schwerer zu bekämpfen, je mehr sich die Täter "wie ein Fisch im Wasser" bewegen konnten. Deshalb ist es von herausragender Bedeutung, dass salafistische Gruppierungen, Imame, Moscheegemeinden und einschlägige Vereine nicht den leisesten Zweifel an ihrem Eintreten gegen den Terror zulassen. Die Sicherheitsbehörden müssen die Szene noch besser durchleuchten und bei Bedarf auch zu den Mitteln von Festnahme, Ausweisung und Vereinsverboten greifen. Das Zulassen von Parallelstrukturen in der Vergangenheit hat das Entstehen von Ruhe- und Rückzugsräumen für Terroristen begünstigt. Dieses Umfeld auszutrocknen, ist eine Aufgabe, die nur Bund, Länder und Gemeinden zusammen bewältigen können. Auch die Privatisierung des Islamunterrichts bietet die Möglichkeit, dass zweifelhafte Koranschulen ihre Nischen finden. Imam-Ausbildung und Islam-Unterricht staatlich zu organisieren, ist daher die bessere Variante.

Wirkungen einhegen

Terror zielt zumeist auf größtmögliche Wirkung durch geringstmöglichen Einsatz von Mitteln und Personal. Dabei geht es vor allem um die Erschütterung politischer Überzeugungen und gesellschaftlicher Grundsätze. Militärisch hoffnungslos unterlegene Bewegungen haben damit, etwa in Algerien, ihre Feldzüge ergänzt oder ersetzt, um besser zum Ziel zu kommen. Sie konnten damit in den 50er Jahren die öffentliche Meinung in Frankreich in Sachen algerische Unabhängigkeit drehen. Daraus folgen zwei Erkenntnisse: Ein Staat, der - erstens - die Terroristen mit ihren eigenen Mitteln schlagen will und etwa ähnlich wahllos mit zivilen Opfern umgeht, verstärkt das Entsetzen und beschleunigt den Erfolg des Terrors. Ein Staat, der - zweitens - Vorkehrungen gegen das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit trifft, vermindert den Erfolg des Terrors. Je schneller die Behörden eine Herausforderung sichtbar im Griff haben, je zügiger eine terrorbedingte Ausnahmesituation beendet und der Alltag wiederhergestellt werden kann, desto weniger Druck übt Terror auf eine Gesellschaft aus. Das ist in Israel zu besichtigen. Und darauf hat sich auch Deutschland einzustellen, etwa durch mehr verfügbare Ordnungskräfte, mehr Spezialtruppen der Polizei und nicht zuletzt durch eine eingeübte Unterstützung durch die Bundeswehr. Auf diese theoretisch auch noch zugreifen zu können, reicht nicht aus. Das muss auch praktisch funktionieren.

Rekrutierung unterbrechen

Mit der Zahl der Terroristen steigt auch die Gefahr von Anschlägen. Jede verhinderte Radikalisierung ist deshalb ein Erfolg im Kampf gegen den Terror. Schwachstellen in Europa bestehen in der Vielzahl von Dschihadisten, die aus der EU in die Kampfausbildung des IS gehen und mit Sprengstoff- und Waffenerfahrung in ihre Heimat zurückkehren. Sie bestehen in den Gefängnissen, in die formbare Kriminelle reingehen und aus denen sie als überzeugte gewaltbereite Islamisten wieder herauskommen. Und sie bestehen in der Verführbarkeit vieler junger Menschen durch die hochprofessionelle IS-Propaganda im Internet. Dem kann man durch bessere Reiseüberwachung, Reiseverbote, mit Vorbeugungs- und Aussteigerprogrammen sowie durch Druck auf Internetanbieter Rechnung tragen.

Spielräume einengen

Die Reaktion des Westens auf den Afghanistan-Einmarsch der Sowjetunion hat den späteren islamistischen Terror gestärkt, der Krieg gegen den Irak und der Bürgerkrieg in Syrien haben ein Ordnungsvakuum bewirkt, in dem sich die IS-Milizen ausbreiten konnten. Auch die Strategie von Regionalmächten, durch Unterstützung oder Gewährenlassen von Terrorgruppen Konkurrenten zu schwächen, vergrößert die Spielräume des Terrors. Das aktuelle Auseinanderbrechen von Al Nusra und Al Kaida in Syrien zeigt, wie komplex die Terrorbedrohung ist und wie ihre Organisation auf Einwirkungen reagiert. Wer als Staat zu Hause weniger Terror haben will, muss nicht nur Militärschläge führen, sondern auch in der internationalen Politik mehr an Anti-Terror-Bündnissen arbeiten. Gleichzeitig gilt es, wirtschaftlich oder politisch gefährdete Staaten zu stabilisieren, um Nährboden für Terror zu beseitigen.

(RP)
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