Nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Seehofer sagt Russland-Reise wegen innenpolitischer Lage ab

Berlin · CSU-Chef Horst Seehofer spart auch weiterhin nicht mit Kritik an der Kanzlerin. Die Menschen wollten "diese Berliner Politik nicht", ätzt er nach den jüngsten AfD-Erfolgen. Seinen Russlandbesuch sagte er wegen der innenpolitischen Lage ab.

 Seinen für Oktober geplanten Russlandbesuch hat CSU-Chef Horst Seehofer wegen der innenpolitischen Lage abgesagt.

Seinen für Oktober geplanten Russlandbesuch hat CSU-Chef Horst Seehofer wegen der innenpolitischen Lage abgesagt.

Foto: Sven Hoppe

Nach dem AfD-Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern hat CSU-Chef Horst Seehofer seine Kritik an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weiter verschärft. "Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich", die Menschen wollten "diese Berliner Politik nicht", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Seine "mehrfache Aufforderung zur Kurskorrektur" in der Flüchtlingspolitik sei nicht aufgenommen worden, das "desaströse" Wahlergebnis sei eine Folge davon.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber wies die Attacke zurück: "Unsere Anhänger und Mitglieder — gerade auch diejenigen, die derzeit in Niedersachsen und Berlin engagiert Wahlkampf machen — erwarten von der Union vor allem eines: Geschlossenheit." Mit Spannung wurde erwartet, wie sich Merkel am Mittwoch im Bundestag bei der Generalaussprache zum Haushalt 2017 zu ihrer Flüchtlingspolitik äußert und ob sie ihren Kritikern entgegenkommt.

Vor Fernsehkameras wollte Seehofer seine Kritik am Dienstag nicht wiederholen. "Es ist alles gesagt", betonte er in München.
Stattdessen verwies der bayerische Regierungschef auf die Klausur des CSU-Vorstands an diesem Freitag und Samstag. "Da werden wir alles Nötige besprechen und auch veröffentlichen." Zugleich versprach er eine weiterhin "konstruktive Politik für Deutschland". Über sein Verhältnis zur Kanzlerin sagte er: "Wir reden immer."

Gleichzeitig hat Seehofer wegen der innenpolitischen Lage in Deutschland seine für Anfang Oktober geplante Russlandreise auf einen nicht genannten Termin verschoben. "Aufgrund der innenpolitischen Situation und wichtiger anstehender politischer Entscheidungen, die seine Anwesenheit in Bayern und Deutschland erforderlich machen, hat sich der Ministerpräsident für eine Verschiebung der Reise entschieden", erklärte die bayerische Staatskanzlei am Dienstag in München.

Seehofer habe sein Kabinett darüber informiert. Um welche wichtigen politischen Entscheidungen es geht, wurde nicht mitgeteilt. Der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende sagte gleichzeitig seine Teilnahme am für Mittwochabend bevorstehenden Auftakt zum Münchener Oktoberfest in der bayerischen Vertretung in Berlin ab. Hier lässt sich Seehofer von seiner stellvertretenden Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU) vertreten.

In Berlin wird am 18. September das Abgeordnetenhaus neu gewählt, in Niedersachsen sind an diesem Sonntag Kommunalwahlen. Beide Wahlen gelten als erneuter Gradmesser für die Stimmung gegenüber der CDU, zumindest in der Hauptstadt wird ein neuerliches Desaster für die Christdemokraten erwartet. Am Sonntag war die CDU bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern nur auf 19 Prozent gekommen und damit erstmals hinter die AfD (20,8 Prozent) zurückgefallen.

Seehofer sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Flüchtlingspolitik sei "nur ein Ventil, die Problematik liegt wesentlich tiefer". Er sei überzeugt, "dass dahinter eine Systemkritik steckt". Der CDU-Spitze und damit auch Merkel warf er vor, den Ausgang der Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vom Frühjahr falsch analysiert zu haben. Dies sei der "Keim der Ursachen für das jetzige Ergebnis". Er forderte eine inhaltlich klare Orientierung: "Steuern, innere Sicherheit, Rente, Zuwanderung — spätestens September, Oktober muss eine Klärung her."

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach sich für eine umfassende Wahlanalyse aus. "Es geht darum zu zeigen: Wir haben verstanden", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Flüchtlingspolitik sei ein großes Thema gewesen, "aber auch Ventil für viele andere diffuse Ängste".

Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte in den ARD-Tagesthemen: "Aus einem 'Wir schaffen das' sollte eher ein 'Wir haben verstanden und wir ändern das' werden." Er ergänzte: "Wir brauchen eine Obergrenze (für Flüchtlinge). Wir brauchen eine wirksame Kontrolle, wir müssen endlich wissen, wer sich überhaupt in Deutschland im Land aufhält."

Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Niemand erwartet, dass die Bundeskanzlerin behauptet, dass wir es nicht schaffen würden, aber es reicht nicht, nur zu sagen, dass sich die massenhafte Zuwanderung des Jahres 2015 nicht wiederholen darf."

(rent/dpa)
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