Verfahren eingestellt Auch ohne Urteil schwer bestraft

Berlin · Der frühere SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy hat mit einem Deal eine Verurteilung im Kinderporno-Prozess abgewendet. Die Geldauflage erscheint vielen zu gering. Politisch wird weiter ermittelt.

Sebastian Edathy: Auch ohne Urteil ist er schwer bestraft
Foto: Julian Stratenschulte

5000 Euro muss Sebastian Edathy an den Kinderschutzbund in Niedersachsen zahlen. Mit dieser Auflage ist gestern der Strafprozess gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material nach nur zwei Verhandlungstagen eingestellt worden. Der 45-Jährige ist damit nicht vorbestraft, er ist frei. Einer Verurteilung konnte Edathy zwar entgehen, sein Ruf aber bleibt dauerhaft ruiniert.

Was juristisch üblich ist und vom Richter am Verdener Landgericht in Absprache mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft rechtlich sauber gelöst wurde, stößt in der Öffentlichkeit jedoch weitgehend auf Unverständnis. Die Auflage gegen Edathy wird von vielen als zu milde wahrgenommen, Opferverbände kritisieren die Entscheidung. Schließlich war das Interesse an dem Prozess riesig, ging es dabei doch um den schmutzigen Kern einer der spektakulärsten Polit-Affären im Bundestag.

Edathy wurde vorgeworfen, im Herbst 2013 kinderpornografische Videos und Bilder aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Der Download mittels dienstlichem Laptop (den Edathy später als gestohlen meldete) konnte anhand der vom Bundestag gespeicherten Telekommunikationsdaten nachgewiesen werden. Erstmals gestand Edathy das nun ein. Das war Voraussetzung für den 5000-Euro-Deal.

Dass der Prozess gegen Auflagen eingestellt wurde, macht Paragraf 153a der Strafprozessordnung möglich. Demnach müssen die verhängten Auflagen geeignet sein, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Außerdem darf einer Einigung die Schwere der Schuld nicht entgegenstehen. Schon zu Prozessbeginn hatte der Vorsitzende Richter Jürgen Seifert angedeutet, dass er einer Einigung zustimmen würde, weil die Zahl der Dateien und Zugriffe gering gewesen sei - aus seiner Sicht bestand also keine besonders schwere Schuld.

André Schulz, Chef des Kriminalbeamtenbundes, teilte gestern mit, ein solcher Deal sei nicht unüblich und werde "in ähnlich gelagerten Fällen etliche Male tagtäglich in Deutschland angewendet". Deutliche Kritik kam unterdessen von Johannes Schmidt, der den niedersächsischen Kinderschutzbund leitet. Er fürchtet, dass nun die Botschaft ausgeht, dass ein solcher Vorwurf mit juristischem Geschick und gegen eine vergleichsweise geringe Summe leicht vom Tisch gefegt werden könnte. Die 5000 Euro von Edathy werde er aber annehmen, um sie in die Arbeit gegen sexuellen Missbrauch zu investieren.

Auch aus der Politik gab es Kritik, besonders an Edathys Verhalten. Denn während er noch in seiner Erklärung vor Gericht vom Anwalt den Satz vorlesen ließ, "ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler begangen habe", gab Edathy im sozialen Netzwerk Facebook wenig später bekannt: "Eine Schuldfeststellung ist damit ausdrücklich nicht getroffen worden." SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte gestern im Namen der Partei: "Wir sind fassungslos darüber, dass Sebastian Edathy keinerlei Reue erkennen lässt und sich mit keinem Wort an die Opfer wendet." Der Parteivorstand will Edathy nun zum Austritt aus der SPD drängen.

Das ist Sebastian Edathy
13 Bilder

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Foto: dpa
Sebastian Edathys Auftritt in Berlin
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Der Untersuchungsausschuss, der sich im politischen Teil der Affäre mit der Frage beschäftigt, ob und wer Edathy vor Ermittlungen gewarnt hat, setzt seine Arbeit wie geplant morgen fort. Gleichzeitig bewertet CDU-Obmann Armin Schuster das Ende des Edathy-Strafprozesses als juristisch nachvollziehbar. "Besonders beim Thema Kinderpornografie ist ein solcher Deal jedoch mit gesundem Menschenverstand nur schwer verdaulich", sagte Schuster. Für den Ausschuss sei das hingegen nicht relevant. Morgen geht es dort erneut um die Rolle von Beamten des Bundeskriminalamtes in der Affäre.

(jd)
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