Fehlstart der Koalitionen (I) Schwarz-Gelb und Rot-Grün im Vergleich

Düsseldorf (RP). Keiner redet mehr darum herum: Der Start der schwarz-gelben Regierung ist missglückt. Mit jeder näherrückenden Entscheidung verschärft sich der Streit erneut. Doch aller Anfang ist schwer. Auch Rot-Grün stolperte nach der Machtübernahme 1998 gleich mehrfach. Das zeigt ein Vergleich zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün.

Die Zwischenbilanz des Merkel-Kabinetts
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Düsseldorf (RP). Keiner redet mehr darum herum: Der Start der schwarz-gelben Regierung ist missglückt. Mit jeder näherrückenden Entscheidung verschärft sich der Streit erneut. Doch aller Anfang ist schwer. Auch Rot-Grün stolperte nach der Machtübernahme 1998 gleich mehrfach. Das zeigt ein Vergleich zwischen Schwarz-Gelb und Rot-Grün.

Mit ihrem lustvollen Streit über alles und jedes haben CDU, CSU und FDP nun auch die Bevölkerung überzeugt: 62 Prozent sind der Meinung, Union und FDP passten nicht mehr zusammen. Und 54 Prozent der Deutschen fand die große Koalition aus CDU/CSU und SPD besser als die amtierende Regierung aus Union und Liberalen.

Ein verheerendes Signal für Jürgen Rüttgers und Andreas Pinkwart. Die Landeschefs von CDU und FDP in NRW wollen am 9. Mai das Bündnis erneuern. Geht das schief, hat die Landtagswahl als "kleine Bundestagswahl" massive Auswirkungen auch für den Bund.

Deshalb denken Union und FDP in der Hauptstadt zunehmend nervös darüber nach, wie sie den Gegenwind aus Berlin in Rückenwind für Düsseldorf verwandeln können. Das ist leichter gesagt als getan. Der Streit um die Zukunft der Atomkraft wird bis zum Herbst an Schärfe gewinnen. Vorher liegt es an den Energieversorgern, die Laufzeiten zwischen den Kernkraftwerken so zu verteilen, dass keines schon im Mai dichtgemacht werden muss.

Streit über Umweltpolitik

Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint zudem selbst unschlüssig, welche Linie sie verfolgen soll. Umweltminister Norbert Röttgen fühlt Rückendeckung aus dem Kanzleramt bei seiner Intervention, die Laufzeiten auf 40 Jahre zu begrenzen. Aber nachdem sein schärfster innerparteilicher Kritiker Michael Fuchs in einem eigenen Papier dagegen entschieden Front machte und für längerere Laufzeiten plädiert hatte, setzte sich Merkel im Plenum kurz neben ihn, um zu bekunden, sie finde gut, was er da aufgeschrieben habe.

Nächstes Streitthema: Gesundheitsreform. Hier hat nun erst einmal eine Regierungskommission das Sagen, die zeitlich kaum vor der NRW-Wahl zu Potte kommen kann. Allenfalls könnten sich die Hauptkontrahenten von FDP und CSU versprechen, die verbalen Kriegsbeile vorerst zu begraben. Beim traditionellen Kamingespräch der Unionsministerpräsidenten mit der Kanzlerin und dem Fraktionschef versuchten führende CDU-Politiker am Donnerstagabend schon einmal, mäßigend auf CSU-Chef Horst Seehofer einzuwirken. Doch so oft die Liberalen das Wort "Prämie" in den Mund nehmen, kommt aus München ein scharfes "mit mir nie".

Knackpunkt Gesundheitsreform

Zudem nutzen CSU-Hardliner das Gesundheitsthema gerne zur eigenen Profilierung in der CSU-internen Hackordnung. Intern gehen Union und FDP inzwischen davon aus, bei den Koalitionsverhandlungen einen dicken Fehler gemacht zu haben. Gleich für den Anfang nahmen sie sich das milliardenschwere Wachstumsbeschleunigungspaket vor, um erste kraftvolle Zeichen zu setzen (dessen positive Wirkungen sie dann aber mit der Hotelsteuer selbst verstolperten). Alle weiteren Vorhaben wurden so in die politische Pipeline geschoben, dass weitere Ergebnisse christlich-liberaler Politik erst ab der zweiten Jahreshälfte 2010 sichtbar werden.

Monatelang herrscht somit Beschlussflaute ausgerechnet vor der wichtigen NRW-Wahl. So nahm sich die Spitzenrunde der Union vor, bei allen irgendwie verfügbaren Projekten nun aufs Tempo zu drücken, um doch noch Vorzeigbares produzieren zu können. Den klammen Kommunen etwa soll durch eine Umwidmung des Konjunkturpakets unter die Arme gegriffen werden. Die strengen Vorschriften, wonach nur "neue" Vorhaben aus dem Zehn-Milliarden-Topf bezuschusst werden dürfen, will Finanzminister Wolfgang Schäuble lockern, erfuhr unsere Redaktion aus Unionskreisen.

Trotz des Spardrucks gibt es zudem eine Million für die Sanierung des Kölner Stadtarchivs. Außerdem wird ein neues 20-Millionen-Sonderprogramm für ländliche Räume (auch in NRW) aufgelegt, und zusätzliche 400 Millionen will die Koalition für das auch in Nordrhein-Westfalen beliebte CO2-Gebäudesanierungsprogramm ausgeben. Zudem basteln die Fraktionsführungen bereits an einer Auflösung des beinharten Streits um die Dimensionen von Steuererleichterungen.

Basteln an Steuererleichterungen

Eine erste, auch von der Kanzlerin abgesegnete Variante der Union sah einen Einstieg mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro vor. Damit hätte sich das Wahlversprechen zumindest formal halten lassen, wonach künftige Lohnzuwächse nicht mehr automatisch von steigenden Steuersätzen abgeschöpft werden. Die Reaktion der FDP-Spitze: "Zu wenig." Und so drehen sich die internen Überlegungen nun um die Frage, ob vor der NRW-Wahl eine Finanzplanung möglich wird, die glaubwürdig eine Milliarden-Entlastung in Aussicht stellen kann, ohne neue Kredite in Anspruch zu nehmen.

Ein Kunststück für die Finanz- und Haushaltsexperten in Regierung und Fraktionen, denn nach dem offiziellen Vorliegen der Steuerschätzung am 6. Mai soll es Knall auf Fall gehen. Am liebsten wollen die Spitzen bereits am folgenden Tag das Steuerkonzept auf der Grundlage der neuen Daten den Fraktionen vorstellen und anschließend damit in die Öffentlichkeit, so dass die NRW-Wahlen unter dem Eindruck einer handlungsfähigen schwarz-gelben Regierung im Bund stehen. Zudem wird erwartet, dass Merkel am Montag im Präsidium ihrer Partei noch einmal zur Geschlossenheit aufruft. In der Vergangenheit hatte sich Vizeparteichef Jürgen Rüttgers in Telefonaten bei Parteifreunden gemeldet und sich diesen oder jenen Querschuss verbeten. Die Anrufe sind seltener geworden. Derzeit hat Rüttgers mit dem eigenen Laden in NRW mehr als genug zu tun.

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