Umstrittener Bundesbankvorstand Sarrazin wird nicht aus der SPD ausgeschlossen

Berlin (RPO). Der wegen seiner abfälligen Äußerungen über Migranten kritisierte ehemalige Berliner Finanzsenator und heutige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin darf Mitglied der SPD bleiben. Nach einer am Montag veröffentlichten Entscheidung der Landesschiedskommission vom 1. März hat sich Sarrazin mit seinen Bemerkungen über türkische und arabische Einwanderer keines Verstoßes gegen die Parteienordnung schuldig gemacht, wie eine SPD-Sprecherin mitteilte.

Thilo Sarrazin liebt klare Worte
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Foto: AP

Das Gremium bestätigte damit die Entscheidung einer Kreisschiedskommission. Ein Kreis- und ein Ortsverband hatten ein Parteiordnungsverfahren gegen den früheren Senator beantragt. Sie werfen ihm parteischädigendes Verhalten vor, weil er sich aus ihrer Sicht in einem Interview "in eklatanter Weise diffamierend" sowie "rassistisch" über türkische und arabische Zuwanderer geäußert hatte.

Im Oktober 2009 hatte Sarrazin in einem Interview der Kulturzeitschrift "Lettre International" etwa Migranten in Berlin vorgehalten, lediglich "eine produktive Funktion für den Obst- und Gemüsehandel" zu haben und ständig "neue, kleine Kopftuchmädchen" zu produzieren.

Nach Auffassung der Landesschiedskommission ist die Meinungsfreiheit für die SPD "unbestrittenermaßen ein sehr hohes Gut". Die Volkspartei SPD müsse solch provokanten Äußerungen aushalten. Zudem seien die Einlassungen nicht als rassistisch einzustufen. Sarrazin äußere sich "radikal bis zum Tabubruch" auch über Teile der deutschen Bevölkerung.

Der Ex-Senator müsse sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass er durch die Entscheidung des Gremiums keinen "Freifahrtsschein für alle künftigen Provokationen" erhalte, fügte das Gremium in seiner Entscheidung an. Rundumschläge gegen weite Bevölkerungsschichten und -gruppen seien auf Dauer geeignet, sich parteischädigend auszuwirken. "Sie sind daher von einem SPD-Mitglied zu unterlassen, das auch in Zukunft diese Partei als seine politische Heimat ansehen will."

Sarrazin sagte der "Berliner Morgenpost", er werde selbstverständlich in der SPD bleiben, der er seit 1973 angehöre. Seine Gegner von der Parteilinken müssten allerdings prüfen, "ob sie noch die Interessen einer Volkspartei vertreten wollen, die den Anspruch habe, die Lebenslagen einer Mehrheit der Menschen widerzuspiegeln". Ihnen gehe es nicht um Mehrheiten für die SPD. "Sie streiten eher für Mehrheiten innerhalb der Partei", sagte der 65-Jährige.

Seinem Berliner SPD-Landesverband empfahl Sarrazin, die Integrationspolitik "realitätstauglich" zu machen. Das gelinge nur, "wenn Probleme klar angesprochen und differenziert analysiert werden". Die Auseinandersetzung um seine Person sieht er als "Teil eines Kampfes um die innerparteiliche Definitionsmacht" in der Berliner SPD. Landes- und Fraktionschefchef Michael Müller und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit litten schon länger daran, "dass es ihnen an einer Mehrheit für die eigene Politik mangelt".

Müller sagte, er halte Sarrazins Aussagen "nach wie vor für politisch falsch". Der ehemalige Senator habe mit seinen "zusammengewürfelten Aussagen" zur Migration viel kaputt gemacht. Der Berliner SPD-Chef fügte hinzu, das Verfahren sei beendet und die Entscheidung zu respektieren. Die Partei sollte sich nun inhaltlich damit beschäftigen, "wie wir mit unserer Politik Integration in der Stadt stärken und fördern".

(DDP/sdr)
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