Rückkehrrecht in Vollzeit vom Tisch SPD wirft Merkel Koalitionsbruch vor

Berlin · Das Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitarbeit ist offenbar vom Tisch. Das Kanzleramt lehnte am Dienstag eine Kabinettsbefassung noch in dieser Legislaturperiode ab. Die Sozialdemokraten sehen sich von der Kanzlerin um die Umsetzung des Gesetzes betrogen.

 Kanzlerin Angela Merkel trat am Dienstag beim Festakt des Sozialverbandes Deutschland auf.

Kanzlerin Angela Merkel trat am Dienstag beim Festakt des Sozialverbandes Deutschland auf.

Foto: dpa, bvj axs

Das geplante Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitarbeit ist für diese Legislaturperiode endgültig vom Tisch. Das Kanzleramt wolle keine Kabinettsbefassung mehr, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Dienstag in Berlin. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Koalitionsbruch vor.

"Das Rückkehrrecht aus Teilzeit ist auf Druck der Arbeitgeber am Kanzleramt gescheitert", erklärte Nahles. Merkel verhindere damit ein Gesetz, das für hunderttausende Frauen den Weg aus der Teilzeitfalle bereitet hätte.

Nahles hatte ihren Gesetzentwurf nach eigenen Worten im November dem Kanzleramt vorgelegt. Seitdem habe sie auf Wunsch des Kanzleramts wiederholt mit der Arbeitgeberseite und den Gewerkschaften über das Gesetz verhandelt, erklärte die Ministerin.

Sie habe bis zum Schluss Lösungen gesucht, doch sei die Strategie von Union und Arbeitgebern "Verwässern und Verzögern" gewesen. "Immer wenn ein Schritt gemacht war, wurde noch einmal draufgesattelt." Schlussendlich sei klar geworden, dass Union und Arbeitgeber das Gesetz nicht wollen.

Ein Koalitionsausschuss von Union und SPD war Ende März ohne Einigung über das Gesetzesvorhaben zu Ende gegangen. Die SPD hatte ein Rückkehrrecht in Betrieben ab 15 Mitarbeitern angepeilt, die Union beharrte aber auf einer Grenze von 200 Beschäftigten.

Schulz verwies darauf, dass Union und SPD das Rückkehrrecht in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hätten. Nunmehr wolle Merkel "zu einem Ende der geordneten Zusammenarbeit in der Koalition kommen". Er fügte hinzu: "Das Bundeskanzleramt entwickelt sich zu einer Wahlkampfzentrale."

Viele Menschen hätten Vertrauen in die große Koalition gehabt, weil sie den Koalitionsvertrag "sehr zuverlässig abgearbeitet" habe, sagte der SPD-Chef. Die SPD habe zu ihren Verpflichtungen gestanden, was ihr nicht immer ganz leicht gefallen sei.

Auch die Opposition bedauerte das Aus der geplanten Neuregelung. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer sprach von einem "Schlag ins Kontor aller Frauen, die in der Teilzeitfalle sitzen". Nahles trage aber eine Mitschuld am Scheitern, weil sie das Thema auf die lange Bank geschoben habe, statt es gleich zu Beginn der Wahlperiode auf ihre Prioritätenliste zu setzen. "Nun hat die Union sie ins Leere laufen lassen", erklärte die Grünen-Abgeordnete.

Die Linken riefen SPD und Grüne auf, dem Vorhaben noch vor der Bundestagswahl zu einer Mehrheit im Parlament zu verhelfen. Die SPD könne beweisen, "dass sie es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst meint", erklärte die Linken-Abgeordnete Jutta Krellmann. Zusammen mit Linken und Grünen hätten die Sozialdemokraten keine Probleme, eine Mehrheit im Bundestag für ihren Vorschlag zu finden.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) machte Union und Arbeitgeber für das Scheitern verantwortlich. "Statt vor allem Millionen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und Beruf endlich sinnvoll zu verbinden, beharren die konservativen Kräfte auf Stillstand", sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Die Arbeitgeber hätten Vorschläge unterbreitet, die das geplante Gesetz zu einem Placebo gemacht hätten.

(th/AFP)
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