Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart Rösler fordert "Stil, Fairness und Solidarität"

Stuttgart · Das mit Spannung erwartete Dreikönigstreffen der FDP bringt mehr Überraschungen als erwartet. Dirk Niebel stellte der Parteispitze ein verheerendes Zeugnis aus, Rainer Brüderle brachte den Saal zum Kochen. FDP-Chef Rösler appellierte an Geschlossenheit und verwahrte sich gegen öffentliche Kritik. Vereinzelt wurden im Saal unflätige Zwischenrufe laut.

FDP kommt zum Dreikönigstreffen zusammen
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FDP-Chef Philipp Rösler hat beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart vermutlich eine der wichtigsten, wenn nicht sogar die wichtigste Rede seiner Karriere gehalten. Der angeschlagene Parteichef bemühte sich, seine Partei auf einen offensiven Wahlkampf 2013 einzuschwören. Die FDP sei "die einzige Partei in Deutschland, die für die Freiheit kämpft", so Rösler. Seine mit Spannung erwartete Rede galt als wichtige Wegmarke für die politische Zukunft des wegen schlechter Umfragewerte stark unter Druck geratenen Parteichefs.

"Unsere Aufgabe, unsere Verantwortung"

In seinem als Grundsatzrede angekündigten Auftritt warb der Minister für einen "bescheidenen Staat", der sich zurückhält und den Menschen "nicht in die Tasche greift", für einen Schuldenabbau und einen ausgeglichenen Haushalt bereits 2014, für freie Forschung und Bildung sowie für mehr Bürgerrechte. Das finde man nur bei der FDP, sagte er und betonte: "Ihre Freiheit ist unsere Aufgabe, ist unsere Verantwortung in Deutschland."

"Flamme der Freiheit"

Rösler warnte eindringlich davor, die Bundestagswahl im Herbst zu unterschätzen. Hier gehe es um nicht weniger als eine Richtungsentscheidung für Deutschland. Der Grundkonflikt laute: Mehr Staat oder mehr Freiheit. Die Antwort der Liberalen sei klar, wenn auch nicht einfach, weil sie dem einzelnen viel abverlange, aber auch viele Möglichkeiten eröffne. Doch werde die FDP die "Flamme der Freiheit" lodern lassen.

Scharfe Angriffe richtete der FDP-Chef vor allem gegen die Grünen, deren Wahlprogramm nichts anderes sei als eine "grüne Hausordnung für eine staatliche Besserungsanstalt". Staatliche Bevormundung könne aber nicht die Antwort auf die Herausforderungen der Gegenwart sein. Dem würden die Liberalen den Freiheitsgedanken eines aufgeklärten und libertären Deutschlands entgegensetzen - notfalls wie im Falle Schlecker auch gegen den Koalitionspartner CDU/CSU.

Ganz zum Schluss seiner fast einstündigen Rede ging Rösler noch kurz auf die seit Monaten anhaltenden Führungsdebatte um seine Person ein. Hier mahnte er lediglich "Stil, Fairness und Solidarität" an. Dies sei nötig, um einen erfolgreichen Wahlkampf in Niedersachsen, in Bayern und im Bund zu schaffen, sagte er und erhielt schließlich einen dreiminütigen Befall.

Unschöner Zwischenruf

In seiner Rede beklagte der FDP-Chef Philipp Rösler maßlose und erniedrigende Kritik an seiner Partei. Die Gegner versuchten, die Liberalen unter die Wasserlinie zu drücken. Wenn die FDP in der Öffentlichkeit teils als Unkraut bezeichnet werde, müsse er sagen: "Hier werden Grenzen - auch der Kritik - überschritten", betonte Rösler. Er persönlich als Parteichef müsse mit Kritik leben: "Das gehört zu meinem Job.

Während seiner Rede wurde Rösler einmal unterbrochen - "Arschloch" und "Halt's Maul" tönte es Medienberichten zufolge durch die Halle. Rösler stoppte kurz, erinnerte an die Regeln der Höflichkeit und fuhr mit seiner Rede fort. Unklar blieb, ob ein FDP-Delegierter Rösler beschimpfte oder ob der Zwischenruf von anderen Dritten stammte.

Niebel fordert rasche Veränderungen

Intern gilt es als ausgemacht, dass die Verteidigung der Regierungsbeteiligung bei der Landtagswahl am 20. Januar die persönliche Messlatte für Rösler ist. Seine Gegner wollen bei einem schwachen Ergebnis seinen Rückzug von der FDP-Spitze erreichen.

Zuvor hatte Entwicklungsminister Dirk Niebel mit scharfen Worten den desolaten Zustand der FDP gegeißelt. "So wie jetzt kann es mit der FDP nicht weitergehen", sagte Niebel. Ohne direkt eine Ablösung von Parteichef Philipp Rösler zu fordern, mahnte er mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 im Herbst rasche Entscheidungen an, auch beim Personal.

Niebel fordert Entscheidungen

Man spiele als Team "noch nicht in der besten Aufstellung", sagte Niebel und betonte, die FDP sei eine Partei mit Regierungsanspruch. Das müsse auch mit einem Team deutlich werden, "das auf Angriff spielt". Dazu sollten endlich personelle Weichen gestellt werden. Diese Entscheidung dürfe nicht von einer Wahl abhängig gemacht werden, fügte Niebel mit Blick auf die Landtagswahl in Niedersachsen hinzu, die für Rösler als entscheidende Wegmarke gilt.

Zugleich rief Niebel seine Partei zu mehr Mut und Zuversicht auf. Deutschland brauche in einer Zeit, in der das "Gleichheitsdenken" zunehme, mehr denn je eine starke FDP. Denn nur die Liberalen verstünden Freiheit nicht als Bedrohung. "Für uns ist nicht gerecht, was gleich macht, sondern gerecht, was gleiche Chancen schafft", hob der Spitzenliberale unter Beifall des Saales hervor.

Niebels unverhohlener Angriff auf die Parteispitze und seine Forderung nach raschen Veränderungen gaben dem Parteitag eine überraschende Wendung. Gemeinhin war erwartet worden, dass die Liberalen und ihr Spitzenpersonal sich vor der Niedersachsenwahl nicht öffentlich zerfleischen wollten.

Brüderle ermutigt FDP

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle forderte seine Partei auf den Kopf nicht in den Sand zu stecken. "Wir müssen aufstehen und kämpfen. Wir müssen an uns selbst glauben", sagte Brüderle. Die FDP sei zäh. Drei Jahre habe die Partei in Berlin Asche auf ihr Haupt gestreut. Jetzt müsse gekämpft werden.

Bei der Bundestagswahl sei ein erneuter großer Erfolg von Schwarz-Gelb mit "Stil, Inhalt und Personen" erreichbar. Brüderle zählte unter dem Beifall der 1400 Gäste eigene Erfolge der FDP in der Regierung auf. Er verwies in seiner kämpferischen Rede auf einen Satz Guido Westerwelles: Wer sich kleinmacht, der werde klein gemacht. Die Delegierten dankten ihm seinen Einsatz mit großen Applaus.

Brüderle, der als möglicher neuer Vorsitzender gehandelt wird, vermied es jedoch, offene Kritik am Vorsitzenden zu üben. Stattdessen lobte er ausdrücklich Röslers Leistungen als Wirtschaftsminister und Parteichef Vor der wichtigen Landtagswahl in Niedersachsen übt sich Brüderle in Solidarität. Sollte die FDP auch bei dieser Wahl scheitern, gilt er jedoch als erster Anwärter auf Röslers Nachfolge.

Homburger bleibt neutral

Die baden-württembergische Landeschefin Birgit Homburger rief ihre Partei bei der Eröffnung des Treffens am Sonntag dazu auf, sich auf ihre Stärken zu besinnen. "Freiheit braucht eine starke Stimme, diese Stimme ist die FDP", sagte Homburger. Auf die anhaltend schlechten Umfragewerte und die parteiinterne Kritik an FDP-Chef Philipp Rösler ging sie in ihrer Begrüßungsrede nicht ein.

In den Tagen vor der Stuttgarter Parteiversammlung hatte die FDP ein Bild der Zerstrittenheit abgegeben. Angesichts anhaltend schlechter Umfragewerte hielten führende Liberale mit ihrem Unmut über Rösler nicht mehr hinter dem Berg.

Kritiker fordern ein Vorziehen des für Mai geplanten Parteitags, um die Führungsfrage zu klären. Röslers Schicksal als Parteichef könnte sich schon bei der Niedersachsen-Wahl in zwei Wochen entscheiden: Ein schlechtes Abschneiden der Liberalen könnte ihn zum Rücktritt zwingen.

(AFP/dpa/dapd/csr/pst)
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