Diskussion um Altersbezüge Rente mit 70 ist eine Frage der Zeit

Düsseldorf · Die SPD streitet noch über die Rente mit 67, da sorgt der Wirtschaftsexperte Michael Hüther mit einem neuen Vorstoß für Wirbel: Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) will das Rentenalter auf 70 Jahre anheben. Aus Sicht von Arbeitnehmern eine unangenehme Vorstellung, die eines Tages Realität werden könnte – oder sogar muss.

Rente mit 67 - die wichtigsten Fragen
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Die SPD streitet noch über die Rente mit 67, da sorgt der Wirtschaftsexperte Michael Hüther mit einem neuen Vorstoß für Wirbel: Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) will das Rentenalter auf 70 Jahre anheben. Aus Sicht von Arbeitnehmern eine unangenehme Vorstellung, die eines Tages Realität werden könnte — oder sogar muss.

"Wenn wir uns die höhere Lebenserwartung und die abnehmende Geburtenrate in Deutschland anschauen, wird die Rente mit 70 perspektivisch kommen müssen", sagte IW-Chef Michael Hüther unserer Redaktion. Damit hat der Wirtschaftsexperte womöglich Recht. Ein Blick auf die Rahmendaten verdeutlicht: Die Deutschen werden immer älter und beziehen somit länger Rente. Da immer weniger Kinder geboren werden, wird es künftig weniger Beitragszahler geben.

Deswegen gibt es nur drei Stellschrauben, an denen die Politik drehen kann: Entweder die Menschen arbeiten länger, zahlen höhere Beiträge oder bekommen geringere Renten. Tut sich nichts, ist ein Kollaps programmiert. Aus Sicht der EU-Kommission droht eine "schmerzhafte Kombination aus geringeren Leistungen und höheren Beiträgen", ein "untragbarer Anstieg der Rentenausgaben" sei somit unvermeidbar.

Deswegen fordert auch Brüssel eine Anhebung des Rentenalters. Danach dürfte ab dem Jahr 2060 der Ruhestand erst mit 70 beginnen. Bis dahin soll sich nach EU-Schätzung die Lebenserwartung der Europäer um etwa sieben Jahre erhöhen. Derzeit verbringen sie ein Drittel des Erwachsenen-Lebens in der Rente. Soll es trotz längerer Lebenszeit bei einem Drittel bleiben, müsste das Renteneintrittsalter von den heute angestrebten 65 auf dann knapp 70 Jahre erhöht werden.

"Die Situation ist nicht mehr tragbar", warnte Sozialkommissar László Andor Anfang Juli. "Wir stehen vor der Wahl, entweder im Ruhestand über weniger Einkommen zu verfügen, höhere Pensions- und Rentenbeiträge zu zahlen oder mehr und länger zu arbeiten."

Weitere Wirtschaftsexperten warnten bereits 2007. "Es ist längst klar, dass nur die Rente mit 70 langfristig Entlastung bringt. Nur wenn sie bis 2030 eingeführt wird, sind größere Leistungskürzungen oder Beitragserhöhungen vermeidbar", sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann damals der "Bild".

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn brachte in dem Blatt sogar eine Rente mit 77 ins Spiel. "Nach Berechnung der UN müssten die Deutschen bis 77 arbeiten, wenn man das heutige Rentenniveau ohne Erhöhung der Beitragssätze und Steuern beibehalten wollte", sagte Sinn der Zeitung. Natürlich sei die Zahl absurd. "Sie zeigt aber, wie wenig wir die Lage im Griff haben und dass die 'Rente mit 67' nicht ausreicht."

Nach geltender Rechtslage wird das gesetzliche Renteneintrittsalter zwischen 2012 und 2029 in monatlichen Schritten von derzeit 65 auf 67 Jahre angehoben. Großbritannien plant bis 2046 die Rente mit 68. Frankreich streitet derzeit um die Anhebung von 60 auf 62 Jahre.

Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt überall niedriger als das gesetzliche. Deutsche hören im Schnitt mit 61,7 Jahren auf zu arbeiten, der EU-Schnitt liegt bei 61,4 Jahre. Wer in Deutschland früher aussteigt, muss einen Abschlag von 0,3 Prozent pro Jahr in Kauf nehmen. Kritiker monieren, dass vor diesem Hintergrund eine Anhebung des Rentenalters einer reinen Kürzung der Altersbezüge gleich käme.

IW-Chef Hüther forderte die Bundesregierung angesichts der aktuellen Debatte auf, den Prozess der Anhebung des Rentenalters über die Marke von 67 Jahren hinaus fortzusetzen.

"Wir sollten 2029 nicht aufhören, das Rentenalter anzuheben, sondern auch danach damit fortfahren", empfahl der Topökonom. Die neu entflammte Debatte in der SPD über die Rente mit 67 nannte Hüther fatal: "Man muss schon blind sein, wenn man die Folgen der alternden Gesellschaft nicht sieht."

Die Europäer könnten sich ein Beispiel an den Japanern nehmen. Im Land der aufgehenden Sonne wird im Schnitt bis 69,5 gearbeitet - obwohl man schon mit 65 in Rente gehen könnte.

(ddp/AP/RP/ndi/RPO)
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