Gentechnik Regierungsinstitut empfiehlt Genpflanzen-Verbot

Berlin · Der Kampf um die Grüne Gentechnik in Deutschland ist zu einer Schlacht der wissenschaftlichen Gutachten geworden. Ein lange Zeit zurückgehaltener Befund widerspricht jetzt dem Kurs von Agrarminister Christian Schmidt (CSU).

 Die Mehrheit der Deutschen will kein Fleisch, das mit Gen-Futter produziert wurde.

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Foto: dpa

Lange Zeit ging Agrarminister Christian Schmidt (CSU) sehr offen mit einer Untersuchung der Uni Bonn um, die seinen Kurs bestätigte, das nach Europarecht mögliche Verbot von Genpflanzen-Anbau den Bundesländern zu überlassen. Ein weiteres Gutachten im Auftrag der gentechnikfreundlichen Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bestätigte das. Über Monate tat sich Schmidt hingegen schwer damit, ein drittes Gutachten eines Regierungsinstitutes herauszurücken. Jetzt liegt es unserer Zeitung vor. Und daraus ergibt sich auch, warum es der Minister mit spitzen Fingern anfasste: Ausgerechnet das "eigene" Thünen-Institut hält Schmidts Weg für falsch.

"Opt out" heißt der Zauberbegriff, mit dem die EU-Kommission den Gegnern Grüner Gentechnik entgegenkam. Das bedeutet: Selbst wenn nach EU-Recht der Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) erlaubt ist, haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für ihr gesamtes Staatsgebiet oder einzelne Regionen dagegen zu optieren, die Genpflanzen also zu verbieten. Um diesen Eingriff in die unternehmerische Freiheit zu rechtfertigen, muss sich mindestens eine von sieben beispielhaften Begründungen schlüssig beweisen lassen. Dabei geht es etwa um umweltpolitische oder agrarpolitische Ziele, die Stadt- und Raumordnung, sozioökonomische Auswirkungen oder die öffentliche Ordnung.

Die beiden anderen Rechtsgutachten kommen wie Schmidt zu der Überzeugung, dass das gerichtsfest nur gelingen kann, wenn es für jede Region spezifisch geprüft wird. Also soll das Verbot bei jeder einzelnen Genpflanze in das Ermessen jedes einzelnen Bundeslandes gelegt werden. Die meisten Länder und die Opposition im Bundestag wollen aber keinen Flickenteppich, sondern eine deutschlandweit einheitliche Regelung. Ihnen kommt nun ausgerechnet das Thünen-Institut von Schmidts Agrarministerium zur Hilfe.

Diese Lebensmittel sind genmanipuliert
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Nachdem auf Dutzenden von Seiten die Agrarwissenschaftler jeden einzelnen "Opt-out-Grund" durchdiskutiert haben, gelangen sie zu dem Ergebnis: "Im Kern geht es bei der GVO-Debatte um die Frage der gesellschaftlichen Werte. Der (wertebasierte) öffentliche Diskurs hierüber spielt sich auf nationaler Ebene ab, so dass auch die Entscheidung auf dieser Ebene getroffen werden sollte."

Die Wissenschaftler widersprechen zudem der Annahme, dass sich auf regionaler Ebene jeweils zwingende und unwiderlegliche Gründe für einen Gentechnik-Ausstieg finden ließen. Letztlich gehe es um "Abwägungsentscheidungen" - und davor dürfe sich die Politik nicht drücken. "Diese Entscheidung sollte nach Auffassung des Thünen-Instituts auf Bundesebene getroffen werden", heißt es.

Mehrfach greifen die Wissenschaftler auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD zurück. Das gilt sowohl für allgemeine Formulierungen wie "Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik an", als auch für konkretere Festlegungen wie "Wir treten dafür ein, dass die Saatgutvielfalt garantiert wird, die Interessen des nicht kommerziellen Bereichs gewahrt werden und der Zugang zu alten und regionalen Sorten nicht beschränkt wird".

Die Wissenschaftler verweisen in diesem Zusammenhang auf Untersuchungen, wonach bestimmte Sorten von Genmais Gefahren für Insekten und Schmetterlingslarven darstellen könnten, erwähnen jedoch zugleich, dass vor der Zulassung von Genpflanzen in der EU genau das zur Risikobewertung dazugehöre. Ein Für und Wider sehen sie auch in der Sortenvielfalt. Zwar könnten Genpflanzen dank überragender neuer Eigenschaften etablierte Sorten in kurzer Zeit verdrängen. In Spanien sei dies jedoch nicht passiert; dort seien inzwischen 121 verschiedene, regional angepasste Genmaissorten registriert. Für die Wissenschaftler steht damit fest, dass hier nationale politische Entscheidungen getroffen werden müssen. Ansonsten drohe auch die Politikverdrossenheit zu wachsen.

Schmidt erklärt die Nichtbeachtung seiner eigenen Wissenschaftler damit, dass im Thünen-Institut "kein juristischer Sachverstand vorhanden war". Das werfe kein glanzvolles Licht auf den Minister, wenn er diese renommierten Wissenschaftler nun öffentlich als "inkompetent und unfähig" hinstelle, kritisiert der Gentechnik-Experte der Grünen, Harald Ebner. Er findet es zudem "empörend, wie Schmidt herumtrickst, um dieses missliebige Gutachten unter den Flickenteppich zu kehren". Erst als es gar nicht mehr anders gegangen sei, habe sein Haus das Papier herausgerückt. Nachdem nun auch Gutachten im Auftrag des Umweltministeriums die bundesweite Regelung als juristisch beste Lösung darstellten, müsse Schmidt nun schleunigst eine "echte Kehrtwende hinlegen und die immer schon versprochenen Genmais-Verbote auf Bundesebene umsetzen".

(may-, qua)
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