Neue Zahlen Angehörige sind das Rückgrat in der Pflege

Meinung | Berlin · Die Pflege alter und gebrechlicher Menschen durch Angehörige bringt eine jährliche Wertschöpfung von 29 Milliarden Euro – das hat der AOK-Bundeverband errechnet. Ausreichend Anerkennung und Unterstützung bekommen die Angehörigen dafür nicht.

So belastend ist die Pflege Angehöriger
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Foto: Bußkamp, Thomas

Die Pflege alter und gebrechlicher Menschen durch Angehörige bringt eine jährliche Wertschöpfung von 29 Milliarden Euro — das hat der AOK-Bundeverband errechnet. Ausreichend Anerkennung und Unterstützung bekommen die Angehörigen dafür nicht.

Die Pflege von alten und gebrechlichen Menschen ist immer noch die am meisten unterschätzte gesellschaftliche Herausforderung. Derzeit leben 2,6 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Dem Statistischen Bundesamt zufolge werden 71 Prozent von ihnen zu Hause gepflegt. Schon heute ist die Pflege von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn für viele Menschen eine enorme Belastung. Sie löst ähnlichen Stress aus wie die Vereinbarkeit von Beruf und der Fürsorge für kleine Kinder. Doch während die Doppelbelastung von Kindern und Beruf von Monat zu Monat leichter wird, ist es bei der Pflege alter Menschen oft umgekehrt. Ihr Zustand verschlimmert sich. Insbesondere wenn die Angehörigen an Demenz leiden, ist die Pflege nicht nur eine organisatorische und körperliche Belastung, sondern eben auch eine große psychische Herausforderung.

Die Arbeit pflegender Angehöriger entspricht einer jährlichen Wertschöpfung von 29 Milliarden Euro, wie der AOK-Bundesverband jetzt errechnet hat. Zum Vergleich: Die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung liegen bei jährlich 23 Milliarden Euro. Ohne die Angehörigen würde die Pflege in Deutschland komplett zusammenbrechen. Und darin liegt das Risiko für die Zukunft: Die Zahl der Pflegebedürftigen wird deutlich steigen, bis 2030 auf 3,4 Millionen. Im Jahr 2050 wird ihre Zahl bei rund 4,5 Millionen liegen. Zugleich geht die Zahl der Angehörigen zurück, die pflegen können. Das liegt an der steigenden Berufstätigkeit der Frauen, die nicht mehr rundum die Uhr für Pflege zur Verfügung stehen. Immer mehr Kinder wohnen zudem weit weg von ihren Eltern und immer mehr ältere Menschen haben gar keinen Nachwuchs oder nahe Verwandte, die sich um sie kümmern können.

Für die Zukunft wird man die Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Ehrenamtlichen, die zur Pflege bereit sind, besser unterstützen müssen. In Ansätzen ist dies durch die jüngste Pflegereform schon geschehen, durch die eine Inanspruchnahme von Kurzzeitpflege und Haushaltshilfen flexibilisiert wurde. Doch das wird noch nicht reichen: Die Pflegenden werden immer noch weitgehend allein gelassen mit ihren Fällen. Sie brauchen aber mehr Beratung, gesellschaftliche Anerkennung und weitere flexible Hilfen, die ihnen Auszeiten von der Pflege und die Ausübung ihres Berufs ermöglichen.

Die Pflegeversicherung ist eine Teilkasko-Versicherung. Das heißt, sie deckt nur einen Teil der Kosten ab, die durch die Pflegebedürftigkeit der Betroffenen entstehen. Dies muss auch so bleiben, da die Versicherung ansonsten nicht mehr zu finanzieren wäre. Gelingen wird das künftig aber nur, wenn der Wertschöpfung der pflegenden Angehörigen auch mehr Wertschätzung und gute Hilfsangebote entgegengebracht werden.

(qua)
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