Merkel-Galgen auf Demo in Dresden Lammert wirft "Pegida" "unverantwortliche Stimmungsmache" vor

Berlin · Der Ton rechtsradikaler Gruppierungen verschärft sich. In Dresden hielten Demonstranten einen Galgen mit den Namen von Kanzlerin und Vizekanzler hoch. Besonders in NRW nimmt rechtsextreme Gewalt zu.

Dresden: Pegida bringt wieder Tausende auf die Straße
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Pegida mobilisiert wieder Tausende in Dresden

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Eine Aktion der islamfeindlichen Bewegung "Pegida" in Dresden hat ein juristisches Nachspiel. Demonstranten hatten am Montag einen Galgen mit Namensschildern von Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel gezeigt. Nun werde gegen Unbekannt "wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten" und "öffentlicher Aufforderung zu Straftaten" ermittelt, erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft.

Am Montagabend waren rund 9000 "Pegida"-Anhänger durch Dresden gezogen. Ihr Protest richtete sich vor allem gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Der Galgen, der als Aufforderung zum Lynchmord betrachtet werden kann, stellt eine neue Stufe der Eskalation in der Auseinandersetzung dar.

Politiker der großen Koalition in Berlin zeigten sich empört. "Bilder von Demonstranten, die Politikern mit Lynchmord drohen, hätte ich nicht für möglich gehalten", sagte die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) warnte davor, sich solchen Demo-Zügen anzuschließen: "Zur Liberalität gehört, dass selbstverständlich auch Besorgnisse, Zweifel und Kritik öffentlich artikuliert werden können. Aber mit Blick auf jüngste Erfahrungen in Dresden und dort präsentierte Geschmacklosigkeiten muss sich jeder Bürger fragen, ob und für welche unverantwortliche Stimmungsmache er sich in Anspruch nehmen lässt."

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft verurteilte die Aktion scharf. "Galgen für demokratisch gewählte Politiker zu zeigen, ist einfach widerlich", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt. Das deute auf die "geistige Verfassung der Urheber" hin.

Nicht nur der Ton der Auseinandersetzung hat sich verschärft, auch die Zahl der Straftaten ist hochgeschnellt. "Seit einigen Monaten erreichen die Taten eine neue Quantität und Qualität", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Bis zum 6. Oktober registrierten die Behörden bundesweit 505 Straftaten gegen Asylunterkünfte. Rechtsmotivierte Täter seien für 461 der Übergriffe verantwortlich. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2014 wurden insgesamt 198 Straftaten gegen Asylunterkünfte gemeldet.

Das ist Lutz Bachmann
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Foto: ap

Nach einer Antwort des Bundesinnenministeriums vom Juli auf eine Anfrage der Linken entwickelt die rechte Gewalt sich nirgends in Deutschland schneller als in Nordrhein-Westfalen. Demnach stieg die Zahl der rechtsextremen Übergriffe je 100.000 Einwohner hier von 1,09 im Jahr 2013 auf 2,11 im vergangenen Jahr. Der jüngste Verfassungsschutzbericht listet für 2014 insgesamt 3286 rechtsextrem motivierte Straftaten für NRW auf, 370 davon Gewaltdelikte. Aktuellere Zahlen hat NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) noch nicht. Aber die nächste Statistik wird wohl auch diesen Fall enthalten: In der Nacht zu Dienstag haben Unbekannte vier Asylbewerberunterkünfte in Waltrop bei Recklinghausen mit Hakenkreuzen und dem Wort "Raus" besprüht.

Eine ähnliche Entgleisung wie in Dresden gab es am Wochenende in Berlin. Bei der Großdemonstration gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zeigten Teilnehmer die Attrappe einer Guillotine mit der Warnung an Wirtschaftsminister Gabriel mit der Aufschrift "Pass bloß auf, Sigmar!". Die Polizei prüft, ob eine Straftat vorliegt.

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