Partei steht vor der Spaltung Ohne Bernd Lucke kämpft die AfD ums Überleben

Berlin · Der Austritt des früheren Chefs Bernd Lucke aus der Partei spaltet das rechte Lager der AfD tief. Nach einer parteiinternen Erhebung würde etwa jedes zehnte Mitglied dem Gründungschef in eine neue Partei folgen. Ob Lucke tatsächlich eine neue Partei gründen will, blieb am Donnerstag noch offen.

Bernd Lucke – Familienvater, Professor, Ex-AfD-Gesicht
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Das ist Bernd Lucke

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Foto: dpa, pse jak

Der Ökonomieprofessor hatte am Mittwoch seinen Austritt aus der von ihm gegründeten AfD erklärt. Beim Parteitag in Essen am vergangenen Wochenende war er als Parteichef abgewählt, teilweise ausgebuht und mit "Lucke raus"-Rufen geschmäht worden. Dem vorausgegangen war ein wochenlanger Richtungskampf innerhalb der AfD zwischen dem von Lucke vertretenen eher gemäßigten konservativ und ökonomisch orientierten Flügel der Partei und den national-konservativen Rechtspopulisten um Frauke Petry, die seit dem Essener Parteitag nun neue Parteichefin ist.

Der Spaltungsprozess der AfD ist seit Wochen in Gang. Bereits Mitte Mai gründete Lucke in seiner eigenen Partei den "Weckruf 2015" als Verein gegen den national-konservativen Flügel. Die Plattform hat rund 4000 Mitglieder. Etwa die Hälfte davon erklärte in einer internen Umfrage, dass sie Lucke in eine neue Partei folgen würde. Die AfD verfügt noch über etwa 20 000 Mitglieder und das gesamte Parteivermögen, das unter anderem durch staatliche Wahlkampfhilfen und Finanzhilfen des inzwischen auch ausgetretenen Hans-Olaf Henkel zustande gekommen ist. Rückblickend sagt Henkel: "Das Unglück begann mit der Anbiederung von Petry und (dem Brandenburger AfD-Vorsitzenden Alexander, Anm. d. Red.) Gauland an ,Pegida', vor der ich früh gewarnt habe, und endete für mich mit dem Essener Parteitag."

Doch die auch Rumpf-AfD steht deutlich geschwächt da. Etliche Funktionsträger haben die Partei verlassen. In Bremen haben drei von vier Abgeordneten ihr Parteibuch zurückgegeben. In Thüringen waren schon vor dem Parteitag am Wochenende drei Abgeordnete aus der Partei ausgeschieden. Und von den bisherigen sieben AfD-Europaparlamentariern sind nur noch zwei Mitglied der Partei. Die Austrittswelle der einfachen Mitglieder ist auch noch nicht beendet.

Der AfD-Flügel um Lucke ist immer wieder auch als wirtschaftsliberal bezeichnet worden. Die FDP will mit den ehemaligen AfD-Mitgliedern aber nichts zu tun haben. "Die FDP steht in der Sache für das Gegenteil der AfD, also kann auch niemand von dort jetzt plötzlich unser Mitglied werden", sagte Parteichef Christian Lindner unserer Zeitung. Der Bundesgeschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, hat sogar ein Schreiben an die Kreisverbände versandt, in dem er ausdrücklich vor der Aufnahme ehemaliger AfD-Mitglieder warnt. In dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, verweist Buschmann darauf, dass die FDP die AfD für "ressentimentbeladen, xenophob und fortschrittsskeptisch" hält. "Vor diesem Hintergrund empfehlen wir Ihnen, ehemalige Mitglieder der AfD, wenn überhaupt, dann nur nach sorgfältiger Einzelfallprüfung aufzunehmen", heißt es in dem Schreiben.

Für den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen kommt die Spaltung der AfD nicht überraschend. Die Euro-kritische Partei befinde sich in einem Häutungsprozess, wie ihn auch die Piraten und früher die Grünen in ihren Gründungsprozessen durchlebt hätten. Neue Parteien zögen auch immer Menschen an, für die "Gemeinschaftsbildung" schwierig sei.

Trotz der Spaltung sieht Korte Chancen für die übrig gebliebene AfD, in weitere Parlamente einzuziehen. "Die große Koalition lähmt den Parteienwettbewerb", betont Korte. So habe die AfD als Protestpartei weiterhin eine Chance.

Für die Neugründung einer Partei durch Lucke sieht der Politikwissenschaftler hingegen kein Potenzial. Luckes Schwerpunkt sei die Kritik an der Euro-Rettung. In der durch Griechenland zugespitzten Lage seien auch andere Parteien kritisch gegenüber weiteren Hilfsgeldern. Damit fehle Lucke das Thema. Zudem sieht er Lucke persönlich gescheitert. Ihm sei es nicht gelungen, integrativ zu wirken.

(RP)
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