Untersuchungsausschuss Kanzleramt wusste offenbar seit Jahren von NSA-Spionage

Berlin · Stundenlang zieht sich die Vernehmung des früheren BND-Chefs Ernst Uhrlau im NSA-Untersuchungsausschuss hin. Eines wird klar: Das Bundeskanzleramt ist schon vor knapp zehn Jahren über unrechtmäßige Spionageversuche des US-Geheimdienstes NSA informiert worden.

 Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Foto: dpa, pil wst

Uhrlau sagte am Freitag vor dem NSA-Untersuchungsausschuss, er habe 2006 aus dem BND von problematischen NSA-Zielen für das Ausspähen des Datenverkehrs durch den BND erfahren. Auch der Name des Rüstungskonzerns EADS sei dabei wohl gefallen. Er gehe davon aus, dass er diese Information dem zuständigen Abteilungsleiter im Kanzleramt mündlich weitergegeben habe.

Im April war bekannt geworden, dass die NSA bei der gemeinsamen Datenspionage mit dem BND auch gezielt nach Informationen etwa über EADS, den Hubschrauberhersteller Eurocopter oder französische Behörden gesucht haben soll. Insgesamt soll der BND der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Firmen und Politiker auszuspähen.

Die NSA schleuste dazu Suchbegriffe ("Selektoren") in die Überwachungssysteme des BND ein. Bisher berichteten Medien darüber, dass der BND erst 2008 und abermals 2010 das Kanzleramt über das Vorgehen der NSA informiert habe.

Uhrlau sagte, 2008 habe es zu dem Thema auch ein Gespräch mit dem damaligen Kanzleramtschef Thomas de Maizière gegeben. Zuvor, direkt zum Start der BND-NSA-Kooperation zur Datenabschöpfung, wurde laut Uhrlaus Aussage die Datenabschöpfung nicht weiter überprüft.

Kontrolliert wurde demnach nicht, ob die Amerikaner sich an die deutsche Linie hielten, dass keine europäischen Ziele ausgespäht werden. Als es wenig später aber Hinweise darauf gab, dass die Ausspähungen sich doch gegen solche Ziele richten sollten, habe sich die US-Seite entschuldigt.

Abgeschöpft wurden Daten an einem Knotenpunkt der Telekom in Frankfurt/Main. Das Kanzleramt habe der Telekom dafür auf deren Wunsch eine Bestätigung gegeben, dass dies rechtlich zulässig sei, sagte Uhrlau, der vor seiner BND-Zeit ein für den BND zuständiger Abteilungsleiter im Kanzleramt war.

Eine umfassendere Prüfung mit Hilfe schriftlicher Erörterungen gab es dazu aber wohl nicht, wie Uhrlau auf Nachfrage einräumte. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Datenabschöpfung sei mündlich erörtert worden. Grünen-Obmann Konstantin von Notz warf dem Kanzleramt und dem BND vor, unter anderem die Telekom betrogen zu haben.

Uhrlau sagte immer wieder, ihm seien einzelne Sachverhalte nicht bekannt oder er könne sich nicht daran erinnern. Die Opposition hielt der Regierungszentrale Versagen bei der Aufsicht über den BND vor. "Das Kanzleramt übt keine richtige Aufsicht aus", sagte von Notz. Die Linken-Obfrau Martina Renner sagte: "Im Kanzleramt herrschte das Motto: Ich will nicht alles wissen."

(dpa)
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