Nach Aus durch Bundesverfassungsgericht NRW: Betreuungsgeld in Kita-Ausbau stecken

Berlin/Düsseldorf · Das Verfassungsgericht kippt die Staatshilfe für die Erziehung zu Hause. Bayern will nun selbst ein Betreuungsgeld einführen, die SPD lieber staatliche Angebote stärken. Der Riss geht durch die Koalitionen.

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Foto: AP

Das Betreuungsgeld ist vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert — für die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist die Konsequenz klar: "Ein Landesbetreuungsgeld wird es nicht geben", sagte ein Sprecher von Familienministerin Ute Schäfer. Sie habe schon vor zwei Jahren das Betreuungsgeld als unsinnig bezeichnet, ließ die SPD-Politikerin erklären: "Jetzt wissen wir, dass es auch verfassungswidrig ist."

Das Bundesverfassungsgericht hatte gestern seine Entscheidung verkündet, wonach das Betreuungsgeldgesetz nichtig ist, weil dem Bund die Kompetenz für diese familienpolitische Leistung fehlt. Inhaltlich setzten sich die Verfassungsrichter mit der Geldzahlung nicht auseinander. Sie steht seit 2013 Eltern offen, die ihre zwei- und dreijährigen Kinder selbst betreuen und dafür staatlich geförderte Kitas nicht in Anspruch nehmen.

Bereits das Betreuungsgeld des Bundes war hart umstritten und wurde als "Herdprämie" oder "Kita-Fernhalte-Prämie" bezeichnet; nun entflammt ein heftiger Streit um die Frage, ob die frei werdenden Bundesmittel in Höhe von immerhin einer Milliarde Euro den Ländern zur Verfügung gestellt werden sollen, damit diese nun ein eigenes Betreuungsgeld einführen.

"Mit der SPD wird es kein zweites Betreuungsgeld geben", sagte Parteivize Ralf Stegner und kündigte an, dass sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nun dafür einsetzen werde, die Milliarde für eine "Verbesserung der Kinderbetreuung" zu verwenden. "Das kann sie sich schon mal abschminken", sagte CSU-Rechtsexperte Hans-Peter Uhl unserer Redaktion.

Die Ministerin sei "nicht die Staatsgouvernante, sondern die Dienerin der Familien", und diese müssten nun schnell über eine Landesregelung ihre Wahlfreiheit zwischen Kita- und eigener Betreuung erhalten. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte entsprechende Regelungen bereits für September an. Bisherige und künftige Bezieher sollten möglichst schnell von einer Anschlussregelung profitieren.

Wie es mit dem Geld für junge Familien weitergehen soll, ist zwischen den Parteien auch innerhalb bestehender Landesregierungen heftig umstritten. Im Saarland will es der SPD-Bildungsminister in die Kitas stecken, die CDU-Sozialministerin als familienpolitische Leistung erhalten. Ähnliche Differenzen gibt es in Hessen zwischen der CDU und den Grünen.

Rot-Grün in NRW ist sich dagegen einig: Die Mittel müssten "zielgerichtet in den weiteren Ausbau und in qualitative Verbesserungen des Betreuungsangebots in den Ländern" fließen, sagte Ministerin Schäfer und erwähnte als Beispiel die Personalausstattung in den Kitas. Vier weitere Verwendungsmöglichkeiten nannte in Berlin SPD-Fraktionsvize Carola Reimann: Sie will mit dem Geld die Gruppengrößen in den Kitas verringern, die Öffnungszeiten ausweiten, besseres Essen und mehr Bewegungsmöglichkeiten schaffen.

Die CDU stellt sich darauf ein, ihren Kampf für den Erhalt des Betreuungsgeldes auf Länderebene auch zum Wahlkampfthema zu machen. Der rheinland-pfälzische Landesgruppenchef und Agrarstaatssekretär Peter Bleser sagte unserer Redaktion: "Die Entscheidung über die Zukunft des Betreuungsgeldes könnte im nächsten Jahr mit den Landtagswahlen auch dem Wähler übertragen werden." Der Erhalt dieser Leistung sei letztlich "nur eine Frage der Organisation".

Die katholische Kirche bedauerte das Aus für das Betreuungsgeld. Die Leistung sei Ausdruck der Wertschätzung für Eltern gewesen, die ihre Kinder zu Hause betreuen, sagte der Familienexperte der Bischofskonferenz, der neue Berliner Erzbischof Heiner Koch.

Einhellig traten Politiker von Union, SPD und Grünen dafür ein, den Eltern einen Vertrauensschutz einzuräumen und deshalb die Auszahlung des Betreuungsgelds nicht abrupt zu stoppen. In drei Wochen will Ministerin Schwesig mit den Fraktionsexperten im Bundestag darüber beraten, bis wann die Geldleistungen beibehalten werden können. Möglicherweise gilt das Aus nur für noch nicht beschiedene Anträge.

(hüw/mar/may-)
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