Urteil des Bundesverfassungsgerichts NRW-Innenminister Jäger bedauert Nein zu NPD-Verbot

München · Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren stößt in der Politik auf ein geteiltes Echo. Viele hätten sich ein anderes Urteil gewünscht. NRW-Innenminister Jäger etwa sorgt sich um die Demokratie.

 Ralf Jäger, Boris Pistorius, Malu Dreyer und Roger Lewentz sprechen nach dem Urteil in Karlsruhe miteinander.

Ralf Jäger, Boris Pistorius, Malu Dreyer und Roger Lewentz sprechen nach dem Urteil in Karlsruhe miteinander.

Foto: rtr, MDA

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) bedauert das Nein des Bundesverfassungsgerichts zu einem Verbot der rechtsextremen NPD. "Leider erhält die NPD für ihren aggressiven Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Ordnung weiter Steuergelder", erklärte Jäger am Dienstag nach dem Urteil der Karlsruher Richter in einer Mitteilung. Das Verfassungsgericht hat die NPD zwar als verfassungsfeindlich eingestuft, für ein Verbot sei die Partei aber zu bedeutungslos.

Die politische Landschaft habe sich seit dem Prozessbeginn verändert, so Jäger. Die NPD habe nicht mehr denselben Stellenwert und sei ins politische Abseits geraten. "Politik und Gesellschaft müssen jetzt dafür sorgen, dass das so bleibt", heißt es in der Mitteilung. Im Prozess hätten die NPD-Funktionäre ihre wahren Gesichter gezeigt. "Sie wollen die Demokratie abschaffen." Deshalb werde der Verfassungsschutz die Entwicklung der Partei weiter genau beobachten.

Auch Ex-Innenminister Otto Schily kritisiert die Entscheidung des Gerichts. Zur Urteilsbegrüdung, die NPD sei nicht so gefährlich, dass man sie verbieten müsse, sagte Schily unserer Redaktion: "Das ist eine seltsame Logik, die eine erwiesen verfassungsfeindliche Partei erst dann aus dem Verkehr ziehen will, wenn sie zu Kräften gekommen ist."

Eine Partei nach dem Muster NPD sei ein "Krebsschaden der Demokratie", der beizeiten bekämpft werden müsse und nicht erst wenn er sich ausgebreitet habe, so der Ex-Innenminister.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer hat das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens bedauert. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bedauerlich, aber selbstverständlich zu respektieren", erklärte der bayerische Ministerpräsident. "Ungeachtet der Tatsache, dass die NPD in keinem Landtag mehr vertreten ist, stellt sie als Partei mit ihren verfassungsfeindlichen und rechtsradikalen Bestrebungen eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung dar."

Auch die SPD hat das Scheitern bedauert, will ihren Kampf gegen Rechts aber fortsetzen. "Unser aller Engagement im Kampf gegen Rechtsextremismus muss weitergehen", erklärte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Bundestag, Eva Högl. Zwar habe sie sich ein anderes Urteil gewünscht, doch hätte auch im Fall eines Verbots dies ebenfalls "nichts an der rechtsextremen Gesinnung in den Köpfen der Anhänger und Sympathisanten geändert", erklärte Högl weiter. Erforderlich sei daher in jedem Fall eine umfassende Prävention durch Bildung, Aufklärung, Demokratieförderung und Ausstiegshilfen.

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) betonte, eine Verbot allein könne Ausländerfeindlichkeit und Rassismus nicht beseitigen. "Das Gericht hat die Grenzen für ein Parteiverbot klar gezogen und auch sehr deutlich gemacht: Das politische Konzept der NPD missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar", sagte Maas am Dienstag.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hingegen hat die Entscheidung der Karlsruher Richter verteidigt und ihre politische Bedeutung hervorgehoben. "Ich begrüße, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich feststellt, dass das politische Konzept der NPD verfassungsfeindlich ist, der von der NPD vertretene Volksbegriff die Menschenwürde verletzt und die NPD die freiheitliche demokratische Grundordnung auch mit Blick auf das Demokratieprinzip missachtet", sagte Lammert unserer Redaktion.

Diese Feststellungen hätten nicht nur juristische, sondern auch politische Bedeutung. Zu Recht habe Karlsruhe festgestellt, dass das Grundgesetz kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot enthalte.

Der Grünen-Rechtsexperte Volker Beck bezeichnete das Urteil als gerechtfertigt. Die NPD "bemüht sich zwar sehr, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden, und ist in ihrer offen verfassungsfeindlichen Haltung durchaus ein Ärgernis. Eine tatsächliche Gefährdung von Rechtsstaat und Demokratie ist sie allerdings nicht", erklärte er in Berlin. Dass der NPD dies nun vom Bundesverfassungsgericht bescheinigt wurde, sei "eine Blamage für die verfassungsfeindliche Kleinstpartei".

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele kritisierte hingegen den erneuten Versuch. "Beide Anträge waren falsch. Nutzen NPD-Propaganda. War stets dagegen", teilte der Bundestagsabgeordnete via Twitter mit. Die "Nazi-Gefahr" könne besser politisch bekämpft werden.

Auf rechtsextremes Gedankengut auch außerhalb der NPD wies die Linken-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau hin. "Eine Welle von Nationalismus und Rassismus flutet das Land. Dagegen müssen alle aufbegehren, denen Menschenwürde und Bürgerrechte wichtig sind", erklärte sie. Pau forderte "einen Aufstand der Anständigen und endlich mehr Anstand der Zuständigen". Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warf den Befürwortern des NPD-Verbots "fachlichen Dilettantismus allererster Güte" vor.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den vom Bundesrat gestellten Verbotsantrag gegen die NPD am Dienstagmorgen abgelehnt. Deren Gesinnung sei zwar verfassungsfeindlich, die Partei habe aber nicht das "Potenzial", die Demokratie in Deutschland zu beseitigen, entschied das Gericht.

Weil das Gericht in seiner Urteilsbegründung hervorhob, wie unbedeutend die NPD ist, gab es auch hämische Kommentare auf Twitter. Das politische Satiremagazin Extra3 twitterte:

(crwo/AFP/RP)
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