Neues Baurecht Wenn das alte Geschäft zur Wohnung wird

Düsseldorf · Unten Büros, oben Wohnungen, direkt nebenan ein Café, eine Werkstatt und eine Kita. Was bisher in Wohngebieten verboten war, soll jetzt möglich werden. Dafür will das Bundeskabinett am Mittwoch das Baurecht ändern.

 Das Konzept der "urbanen Gebiete" erlaubt, dass Wohnungen neben Gewerbe nebeneinander oder sogar in einem Haus entstehen.

Das Konzept der "urbanen Gebiete" erlaubt, dass Wohnungen neben Gewerbe nebeneinander oder sogar in einem Haus entstehen.

Foto: dpa, car tmk tba

Bisher müssen Gewerbe- und Wohnbebauung in Deutschland voneinander getrennt werden. Das stellt viele Großstädte vor Probleme. Denn immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Metropolen. Dort gibt es aber nur wenig Wohnraum. Das soll sich mit dem Konzept der "urbanen Gebiete" ändern.

Dort dürfen dann Gewerbe und Wohnungen direkt nebeneinander oder sogar in einem Haus entstehen. Es darf außerdem höher und dichter gebaut werden als bisher. Auch Gastronomie, Kultureinrichtungen und Kitas sollen direkt in den "urbanen Gebieten" liegen. Alles ist dann auf kurzen Wegen erreichbar und steigert die Attraktivität der Gebiete. Möglich sein soll das für neue Bauflächen oder Gebiete in Innenstädten, für die bisher strenge Regeln bezüglich der Wohnbebauung galten.

Die Architektenkammer begrüßt es, dass urbanes Wohnen jetzt Wirklichkeit wird. "Wir gehen davon aus, dass durch das urbane Gebiet neues Bauland für den Wohnungsbau in den Innenstädten entsteht. Insbesondere Pufferflächen zwischen emittierendem Gewerbe und Wohnungsbau, die bisher nicht bebaut werden durften, werden nun geöffnet", sagt Markus Lehrmann, Geschäftsführer der Architektenkammer NRW.

Städte könnten das Angebot des urbanen Gebietes nutzen, um bestehende Bebauungspläne zu prüfen oder neue aufzustellen. Fachleute seien sich darüber einig, dass die Schaffung von Wohnungen in den Städten wichtiger sei als die Ausweisung neuer Flächen an den Stadträndern. Daher geht Lehrmann davon aus, dass sich die Innenstädte weiter verdichten werden. "Gerade die Großstädte profitieren von der neuen bauplanungsrechtlichen Kategorie, weil dort viele ehemalige Gewerbeflächen nun mit einem Bauplanungsrecht für Wohnbauflächen qualifiziert werden können", sagt er. Voraussetzung sei die schnelle parlamentarische Verabschiedung des Gesetzentwurfes.

Wohnungen, Gastronomie und Büros in einem Gebäude

"Die Neuerung bildet unsere Auffassung von Urbanität gut ab — von der Lebendigkeit in den Städten und Vierteln. Denn jetzt kann auch an ehemaligen Tabuflächen eine Mischung von Gewerbe, Wohnen und Kultur entstehen. Das ist das Erfolgsrezept europäischer Städte", sagt Lehrmann.

Aus diesem Grund geht auch Johannes Osing, Referent für Städteentwicklung beim Städte- und Gemeindebund, davon aus, dass viele Städte bereits bestehende Gebiete in urbane Gebiete umwandeln werden. "Zum Beispiel können Wohnungen, Gastronomie und Büros für Startups leichter im selben Gebäude vereint werden. Das kann Innenstädte und bestehende Quartiere lebendiger machen", sagt Osing. Er begrüßt, dass die Anmerkungen des Städte- und Gemeindebundes Gehör beim Bundesbauministerium fanden. So sei anfangs zum Beispiel geplant gewesen, keine reinen Wohngebäude zuzulassen. Dass sei nun geändert worden. Denn in vielen Innenstädten könnten Leerstände nur noch mit Wohnungen behoben werden.

Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum steige stetig, der Wohnraum sei aber knapp und dürfe nicht zu Lasten des Gewerbes erschlossen werden. Daher seien urbane Gebiete eine gute Lösung, beides zu vereinen. Zudem könnten die Städte nun Brachflächen nutzen, die sie bisher nicht bebauen durften.

Düsseldorf hat bereits Wettbewerb für urbanes Wohnen gestartet

Die Stadt Düsseldorf hat sich bereits auf diese neuen Möglichkeiten eingestellt und für das Bauprojekt "Beiderseits Vogelsangerweg" einen Wettbewerb für ein Projekt im Rahmen des urbanen Wohnens gestartet. "Das ist eine gute Möglichkeit, um zu sehen, wie man in so einer Lage Unternehmen und Wohnen auf kleinem Raum vereinen kann", sagt Cornelia Zuschke, Beigeordnete für Stadtentwicklung der Stadt Düsseldorf. Markus Lehrmann begrüßt die frühzeitige Aufnahme der Planung: "Die Stadt Düsseldorf hat schon früh Entscheidungen getroffen, um das neue Recht schnell umzusetzen. Wie die anderen Kommunen das ausschöpfen, muss sich zeigen."

Die Initiative für das neue Baurecht sei von den Großstädten ausgegangen. Daher sei man auf die neuen Möglichkeiten eingestellt gewesen, sagt die Beigeordnete. Sie freue sich, dass die Vorschläge so schnell umgesetzt worden seien. Die großen Städte würden vor allem Platz für Wohnungen benötigen. Neben der Erschließung von Brachflächen könne auch die Umwidmung von bestehenden Gebieten eine interessante Lösung sein. Denn dann könnten leerstehende Büro- zu Wohngebäuden umfunktioniert und sogar ausgebaut werden. Gleichzeitig dürften Parkhäuser und Geschäfte in der Nachbarschaft entstehen.

Kritisch sieht Zuschke noch die Umsetzung des Lärmschutzes. Zwar sieht das neue Recht vor, dass es in urbanen Gebieten lauter sein darf als in normalen Wohngebieten, allerdings sei die Frage, ob der Lärm auf der Straße oder in den Wohnungen gemessen werde. "Alle anderen Verordnungen müssen der neuen Bauverordnung angepasst werden, damit das Potential voll ausgeschöpft werden kann", sagt Zuschke. Eine Lösung könnten besonders schalldichte Fenster für Wohnungen in diesen Gebieten sein.

(rent)
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