Blick zurück Als die "Spiegel"-Affäre Deutschland veränderte

Düsseldorf · Die "Spiegel"-Affäre im Jahr 1962 hat die damals junge Bundesrepublik tief erschüttert. Redaktionsräume wurden durchsucht und Journalisten verhaftet. Am Ende siegte die Pressefreiheit – und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU) schied aus dem Kabinett aus.

 Rudolf Augstein im Herbst 1962 begleitet von zwei Polizisten.

Rudolf Augstein im Herbst 1962 begleitet von zwei Polizisten.

Foto: AP

Die "Spiegel"-Affäre im Jahr 1962 hat die damals junge Bundesrepublik tief erschüttert. Redaktionsräume wurden durchsucht und Journalisten verhaftet. Am Ende siegte die Pressefreiheit — und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU) schied aus dem Kabinett aus.

"Bedingt abwehrbereit!" So lautete der Titel der wohl berühmtesten "Spiegel"-Ausgabe im Oktober 1962. Die Journalisten Conrad Ahlers und Hans Schmelz analysierten darin den Verlauf des Nato-Manövers "Fallex 62". Das vernichtende Ergebnis: Aufgrund fehlender Ausstattung sei die Bundeswehr nicht in der Lage, ihre im Verteidigungskonzept der Nato zugewiesene Rolle zu erfüllen. Der Artikel stellte auch Kompetenz und Redlichkeit von Verteidigungsminister Strauß in Frage.

Dabei stützten sich die Journalisten auch auf Dokumente, die ihnen der Leiter des Führungsreferats im Führungsstab des Heeres, Oberst Alfred Martin, zur Verfügung gestellt hatte. Der Artikel hatte weitreichende Folgen. Die Bundesanwaltschaft witterte Landesverrat (siehe Infokasten).

Es erging Haftbefehl gegen mehrere Redakteure des "Spiegel". Die Redaktionsräume in Hamburg und Bonn wurden durchsucht. Herausgeber Rudolf Augstein stellte sich nach zwei Tagen selbst der Polizei. Conrad Ahlers, Militärexperte und stellvertretender Chefredakteur, wurde im Urlaub festgenommen.

Die Vorgänge führten zu einem großen demokratischen Engagement der Bevölkerung, das es in dieser Form in der BRD noch nicht gegeben hatte. Menschen gingen auf die Straße, um für Meinungs- und Pressefreiheit und gegen Minister Strauß zu demonstrieren. Der Bundestag forderte umfassende Aufklärung des Falles. Die Affäre wurde schnell zu einem Duell: Augstein gegen Strauß.

Mit einem klaren Sieger Augstein. Strauß geriet zunehmend in die Defensive. Schließlich musste er zugeben, persönlich für die Festnahme Ahlers in Spanien gesorgt zu haben. Dies hatte er zuvor stets abgestritten. Sein Parteifreund und Innenminister Hermann Höcherl erklärte daraufhin, Strauß habe "etwas außerhalb der Legalität" gehandelt.

Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) versuchte zuerst, Strauß zu schützen. Im November traten jedoch die fünf FDP-Minister seines Kabinetts zurück. Um Adenauer die Neubildung seiner Regierung zu ermöglichen, verzichtet Strauß auf sein Amt.

Die "Spiegel"-Affäre gilt noch heute als der wohl wichtigste Sieg für die Pressefreiheit in Deutschland. 2013 wurde die Affäre für das deutsche Fernsehen verfilmt.

(csi)
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