Netzpolitik-Affäre Range weg, Affäre bleibt

Berlin · Nach dem Rauswurf des Bundesanwalts gewinnt die Netzpolitik-Affäre an Fahrt. In der Kritik: zwei Minister und ein Verfassungsschützer.

Berlin: Breite Unterstützung für "Netzpolitik.org"
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Breite Unterstützung für "Netzpolitik.org"

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Ein erstes Opfer ist in der Affäre um Ermittlungen gegen den Blog Netzpolitik.org gefunden: Bundesanwalt Harald Range musste seinen Hut nehmen. Doch nun entwickelt sich ein Grabenkampf zwischen Unterstützern von Justizminister Heiko Maas (SPD), Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und dessen Dienstherrn, Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Wer hat wie gehandelt?

Der Bundesjustizminister Heiko Maas bekam von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Unterstützung, Generalbundesanwalt Harald Range wegen dessen offener Rebellion zu feuern. Auch von Parteifreunden erhält Maas dafür Zuspruch: "Heiko Maas hat die richtigen Konsequenzen aus dem massiven Vertrauensbruch des Generalbundesanwaltes gezogen. Die Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats sind ein schwerwiegender Fauxpas, den der Generalbundesanwalt zu verantworten hat", sagte etwa SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel.

Für den Justizminister könnte die Affäre dennoch eine unangenehme Wendung nehmen. Kritiker, etwa aus der Union und Opposition, halten ihm vor, bereits früh von den Ermittlungen gegen Netzpolitik.org gewusst, aber erst spät Konsequenzen gezogen zu haben. Tatsächlich hatte das Ressort bereits am 27. Mai Informationen über die Strafanzeigen des Verfassungsschutzes sowie die Ermittlungen des Bundesanwalts gegen die verantwortlichen Journalisten von Netzpolitik.org.

Danach sei das Ministerium aber nach eigenen Angaben nicht etwa untätig geblieben, sondern habe auf Arbeitsebene Gespräche mit der Bundesanwaltschaft geführt. Darin sei Ranges Behörde, die dem Ministerium formal untersteht, mitgeteilt worden, dass man Zweifel an dessen Rechtsauffassung habe. So besteht bis heute im Justizministerium die Ansicht, die Blogger hätten trotz der Veröffentlichung von als Staatsgeheimnis deklarierten Unterlagen des Verfassungsschutzes keinen Landesverrat begangen.

Der Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sieht das anders, schließt sich dem Vorwurf des Landesverrats aber nicht an. Er ist die zweite zentrale Figur in der Affäre, löste er doch mit seinen Strafanzeigen gegen Unbekannt und der Bestätigung, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheimnisse, die Ermittlungen Ranges erst aus. Er habe aber nie die Absicht gehabt, dass gegen Journalisten rechtlich vorgegangen werde, hieß es. Zwar habe man Anzeige erstattet, um gegen die undichte Stelle im Verfassungsschutz ermitteln zu lassen; die Landesverratsvorwürfe gegen Journalisten seien aber allein vom Generalbundesanwalt erhoben worden. Sprich, der Schwarze Peter soll ja nicht bei Maaßen liegenbleiben.

Der Verfassungsschutz untersteht dem Innenministerium. Von dort erhält Maaßen Unterstützung. "Die Weitergabe des Wirtschaftsplans des Verfassungsschutzes, aus dem alle Arbeitsschwerpunkte und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten dieser Sicherheitsbehörde ersichtlich sind, stellt eine neue Dimension des Durchstechens von Geheimnissen dar", sagte Günter Krings (CDU), Staatssekretär im Innenministerium. Ein Behördenchef, der undichte Stellen einfach ignoriere, würde falsch und pflichtwidrig handeln, so Krings.

Die SPD hingegen hat es nun auf Maaßen abgesehen. Der habe ein Exempel statuieren und gegen die Pressefreiheit vorgehen wollen, hieß es. Maaßen müsse sich nun kritische Fragen gefallen lassen, sagte SPD-Politiker Schäfer-Gümbel.

Der Generalbundesanwalt Auf Harald Range prasselte vor einer Woche am meisten Kritik nieder. Mit dem scharfen Schwert Landesverrat gegen einen kleinen Blog vorzugehen, nicht aber in der NSA-Affäre zu ermitteln, brachte ihm enorm Gegenwind. Hinzu kam ein langwieriger Streit mit Maas über die Gutachten zum Landesverrat. Range sieht sich als Spielball der Politik. Zumal er wegen der möglichen Verletzung eines Staatsgeheimnisses keine andere Wahl gehabt habe, als zu ermitteln. "Jetzt sollte der neue Generalbundesanwalt schnellstmöglich die Ermittlungen einstellen", sagte Schäfer-Gümbel.

Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält sich, ähnlich wie die Kanzlerin, bedeckt. Auch er habe von den Ermittlungen gegen Journalisten erst aus den Medien erfahren, hieß es. Maaßens Anzeigen lagen seinem Haus aber sehr wohl früh vor - und darin wurden bereits die Namen der Journalisten von Netzpolitik.org genannt; dem Vernehmen nach für Belegzwecke. Sowohl die Kanzlerin als auch de Maizière distanzierten sich vom geschassten Bundesanwalt Range. Anders als Merkel gibt de Maizière Verfassungsschützer Maaßen jedoch Rückendeckung.

Nicht nur deshalb steigert sich die Kritik der Opposition am Verhalten der großen Koalition. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte die Ablehnung einer kurzfristigen Sondersitzung des Bundestags-Rechtsausschusses durch die Koalitionsparteien Union und SPD gestern scharf. Erstmals seit 1962 gebe es Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Journalisten, und der Generalbundesanwalt werde abgesetzt. "Aber die große Koalition speist die Abgeordneten einfach mit einer bloßen Obleute-Telefonkonferenz ab. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang", sagte Haßelmann.

(jd / mar)
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