Ausschreitungen in Hamburg Ermittlungen gegen Dutzende Polizisten nach G20-Gipfel

Hamburg · Nach dem Polizeieinsatz beim G20-Gipfel in Hamburg laufen nach offiziellen Angaben 35 Ermittlungsverfahren gegen Beamte. Zwei Anti-G20-Demonstranten haben Klage gegen Polizeimaßnahmen eingereicht. Die Staatsanwaltschaft prüft auch Anzeigen gegen den Anwalt der Roten Flora.

 Plünderer, Randalierer und Aktivisten am 07.07.2017 im Hamburger Schanzenviertel.

Plünderer, Randalierer und Aktivisten am 07.07.2017 im Hamburger Schanzenviertel.

Foto: dpa, mks pil

Bei den Ermittlungsverfahren gegen die Beamten gehe es in 27 Fällen um Körperverletzung im Amt, sagte ein Sprecher der Hamburger Innenbehörde am Freitag. Sieben der Ermittlungsverfahren wurden demnach vom Dezernat für interne Ermittlungen selbst angestoßen. Die übrigen seien durch Strafanzeigen von Dritten ins Rollen gekommen, sagte der Sprecher.

Zwei Anti-G20-Demonstranten haben beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage gegen Polizeimaßnahmen eingereicht. Einer der Kläger fechte seine Ingewahrsamnahme in der Gefangenensammelstelle im Stadtteil Harburg an, sagte eine Gerichtssprecherin am Freitag. Die zweite Klage richte sich gegen ein während des Gipfels von der Polizei ausgesprochenes Aufenthaltsverbot.

Wegen seiner Äußerungen über die Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels ist auch der Rote-Flora-Anwalt Andreas Beuth ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Es seien mehrere Strafanzeigen gegen ihn im Zusammenhang mit einem NDR-Interview eingegangen, sagte die Hamburger Oberstaatsanwältin Nana Frombach. "Die Anzeigen werden bei der für politische Straftaten zuständigen Abteilung geprüft".

Beuth hatte dem NDR nach den schweren Gewaltexzessen in der Nacht zu Samstag im Schanzenviertel gesagt: "Wir als Autonome und ich als Sprecher der Autonomen haben gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel, wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf oder Blankenese?"

Frombach sagte, inhaltlich gehe es um den Vorwurf der Billigung von Straftaten. Es gebe noch keine Ermittlungen gegen Beuth, sondern die Anzeigen würden geprüft. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer, die gut 10.000 Anwälte vertritt, hatte diese Aussagen scharf kritisiert

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul traf sich am Freitag in Düsseldorf mit Polizistinnen und Polizisten, die den Einsatz in Hamburg unterstützt hatten. "Es ging mir darum, mich persönlich zu bedanken. Das war mir einfach ein Anliegen", sagte Reul laut einer Mitteilung. "Der Einsatz in Hamburg war hochkomplex und schwierig. Es ist wichtig, dass Politik und Gesellschaft hinter den Beamtinnen und Beamten stehen", erklärte Reul.

Alle rund 2200 in Hamburg eingesetzten Polizisten aus NRW sollen den Angaben nach drei Tage Sonderurlaub bekommen. Drei im Einsatz verletzte Beamte aus NRW seien auf dem Wege der Besserung. Der Innenminister forderte ein klares Bekenntnis friedlicher Demonstranten bei künftigen Protestveranstaltungen. "Da gilt es, sich ganz klar abzugrenzen und nicht gemein zu machen mit einem wütenden Mob und prügelnden Gewalttouristen", sagte Reul.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Arbeit der Polizei rund um den G20-Gipfel erneut. Auf die Fragen, ob die Polizei zu hart vorgegangen sei und ob es Anzeichen für Polizeigewalt gebe, sagte er dem Sender NDR 90,3: "Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise."

Auch bei Demonstrationen mit überwiegend friedlichen Teilnehmern hatte die Polizei in Hamburg teilweise Pfefferspray und Wasserwerfer eingesetzt. "Ich will ausdrücklich sagen: Es gab sehr besonnene, sehr mutige, sehr schwierige Einsätze der Polizei. Und die Polizei hat wirklich alles getan, was möglich gewesen ist", sagte Scholz. Im Nachgang zu einem solchen Gipfel werde immer alles aufbereitet. Er glaube, dass der Polizei auch anschließend nicht vorzuwerfen sein werde.

Während des Gipfels gab es nach Angaben von Polizei-Einsatzleiter Hartmut Dudde 186 Fest- und 225 Ingewahrsamnahmen. 51 Haftbefehle wurden erlassen. Bei den drei Tage andauernden Ausschreitungen wurden fast 500 Polizisten und eine unbekannte Zahl an Demonstranten verletzt. Geschäfte wurden geplündert, Autos angezündet und brennende Barrikaden errichtet. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass noch eine "Vielzahl von Verfahren" auf sie zukommen werde, sagte Oberstaatsanwältin Frombach.

(oko/dpa)
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