"Enttäuschendes Ergebnis" Greenpeace protestiert nach Dieselgipfel vor Kanzleramt

Berlin · Am Morgen nach dem Dieselgipfel in Berlin haben Greenpeace-Aktivisten vor dem Bundeskanzleramt protestiert. Auch der Opposition sind die Ergebnisse des Treffens zu wenig. Umweltschützer sprechen von einer "Marionettenshow".

"Aktenzeichen ungelöst - NOx" hat Greenpeace auf die Fassade des Bundeskanzleramtes projiziert.

"Aktenzeichen ungelöst - NOx" hat Greenpeace auf die Fassade des Bundeskanzleramtes projiziert.

Foto: dpa, pdz abl

Die Umweltschützer von Greenpeace strahlten am Donnerstag die Fassade des Kanzleramts in Berlin für wenige Minuten mit einem Beamer an. Neben einer Silhouette von Bundeskanzlerin Angela Merkel war dort "Aktenzeichen NOx ungelöst" zu lesen.

Die Aktivisten wollten einer Mitteilung zufolge auf das "enttäuschende Ergebnis" des Dieselgipfels vom Mittwoch aufmerksam machen. "Der Gipfel hat kein einziges Problem gelöst", sagte ein Sprecher. Bei dem Treffen von Bund, Ländern und Autobranche hatten die deutschen Konzerne neue Abgas-Software für rund 5,3 Millionen Autos zugesagt. Damit solle der Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid verringert werden.

Zusätzliche Umbauten am Motor, die wesentlich teurer wären, lehnte die Branche allerdings ab. Die Hersteller wollen den Kauf neuer, sauberer Autos mit Prämien ankurbeln, die sie selber zahlen. Am Donnerstag sollen die Obleute mehrerer Bundestagsausschüsse von der Bundesregierung über die Gipfel-Ergebnisse informiert werden.

Die zugesagten Nachbesserungen zur Schadstoff-Senkung lösten scharfe Kritik und Forderungen auch in der Politik aus. "Die Automobilbranche muss von ihrem hohen Ross herunter und wieder mehr ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und für ihre Kunden gerecht werden", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) der "Passauer Neuen Presse".

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Bild"-Zeitung, für die Industrie beginne nun die Bewährungszeit. "Weitere Maßnahmen müssen folgen." Mit Blick auf möglicherweise drohende Fahrverbote in mehreren Städten betonte er: "Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten."

Die Grünen reagierten enttäuscht. "Mit ihrer Weigerung, wirksame Nachrüstungen bei den Hersteller durchsetzen, sind Union und SPD verantwortlich für Fahrverbote, die Gerichte vermutlich jetzt durchsetzen werden", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer. Linke-Chef Bernd Riexinger nannte den Gipfel eine Farce. Statt klare Kante zu zeigen, habe man sich mit der freiwilligen Zusage von Softwareupdates abspeisen lassen.

Die SPD forderte mehr Tempo bei der Entwicklung neuer Antriebe. "Damit es endlich mehr Elektrofahrzeuge gibt, brauchen wir eine feste Quote für die Hersteller, wie viele Elektrofahrzeuge sie anteilig an der Gesamtflotte produzieren müssen", sagte Fraktionsvize Sören Bartol. Für kleine und mittelständische Firmen sollte es steuerliche Sonderabschreibungen für Flotten-Umrüstungen auf E-Fahrzeuge geben.

Diesel-Gipfel - Demonstranten auf dem Dach des Verkehrsministeriums
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Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller, sagte, Bund und Autobranche hätten den Gipfel "vor die Wand gefahren". Die Chance sei vertan worden, Kunden mit Entschädigungen, verbindlichen Garantien und klaren Informationen entgegenzukommen. Die Präsidentin des Deutschen Städtetags, Eva Lohse, sagte unserer Redaktion: "Wir wollen Fahrverbote vermeiden, aber sie sind nicht völlig vom Tisch." Der Schlüssel dafür, dass dies nicht passiere, liege bei den Autoherstellern.

Als "Marionettenshow von Bund, Ländern und Autoindustrie" kritisierte Jürgen Resch, der Leiter der Deutschen Umwelthilfe, den Diesel-Gipfel. Das Ergebnis hätten die Autokonzerne der Politik bereits Tage zuvor diktiert. "Der Diesel-Gipfel war eine reine Showveranstaltung. Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten", sagte Resch der "Passauer Neuen Presse". Es gebe eine "Fortsetzung der bisherigen eheähnlichen Beziehungen von Automobilindustrie und Politik". Am Ende entscheide bei Fragen der Luftreinhaltung und CO2-Vorgaben die Autoindustrie.

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sprach dagegen von einer Kampagne gegen den Dieselmotor, die die exportstarke deutsche Autobranche angreife: "Sie ist eine von Lobbyisten in Brüssel und Berlin initiierte Hexenjagd, die vor allem dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet und damit rund eine Million von Arbeitsplätzen gefährdet."

(oko/dpa)
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