Nach Anschlägen in Paris CSU fordert "Klarheit, wer zu uns kommt"

Berlin · "Unzulässig" wollen die Christsozialen die Terror- und die Flüchtlingsdebatte nicht vermischen. Zusammenhänge sehen sie dennoch.

 Markus Söder und Horst Seehofer, hier beim Maibock-Anstich 2012.

Markus Söder und Horst Seehofer, hier beim Maibock-Anstich 2012.

Foto: dpa, Tobias Hase

Markus Söder (CSU) ist in Bayern nicht nur Finanzminister. In sein Ressort fällt auch der Bereich "Heimat". Da fühlte er sich offensichtlich berufen, im Windschatten der Terroranschläge von Paris die CSU-Forderung nach Grenzkontrollen und Rückschiebungen von Flüchtlingen durchzusetzen. "Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann so nicht weitergehen. Paris ändert alles", erklärte er - und wurde von seinem Parteivorsitzenden prompt zurückgepfiffen.

Nach Anschlägen in Paris: CSU fordert "Klarheit, wer zu uns kommt"
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Horst Seehofer, der inhaltlich durchaus Söders Meinung ist, vermeidet derzeit möglichst offene Konfrontation mit Berlin. Aktuell ist er der Ansicht, dass er erst einmal genug gedroht und gepoltert hat. Seine weiteren Forderungen präsentiert er eher nüchtern.

Die Flüchtlingsfrage dürfe nicht mit der Terrorbekämpfung "unzulässig" vermengt werden, heißt es folgerichtig in einer Resolution der Christsozialen, die gestern vom Parteipräsidium verabschiedet wurde. Den Zusammenhang stellt die CSU dennoch her: "Wir müssen verhindern, dass Terroristen den Flüchtlingsstrom für ihr mörderisches Handwerk missbrauchen können." Die weitere Botschaft der CSU: "Wir müssen uns umgehend wieder Klarheit verschaffen, wer in unser Land kommt, wer durch unser Land fährt und wer sich hier aufhält."

Nach dem bisherigen Ermittlungsstand der Polizei stammen die Täter der Terroranschläge von Paris aus Frankreich und Belgien. Für einen der mutmaßlich acht Täter bestätigte die Pariser Staatsanwaltschaft gestern, dass er im Oktober als Flüchtling in Griechenland registriert worden war.

Auch einige EU-Staaten nutzen den Terror von Paris, um die Flüchtlingsdebatte anzuheizen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte: "Wir wissen nicht, wie viele Terroristen mit den Einwanderern gekommen sind."

Die Politiker der großen Koalition in Deutschland und der Opposition widersprachen einem direkten Zusammenhang von Terror und Flüchtlingswelle und kritisierten insbesondere Heimatminister Söder. "Wenn nach Paris alles anders wäre, hätten die Terroristen einen großen Erfolg zu feiern", sagte SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel. "Wir müssen aufpassen, dass nicht die Opfer des Krieges zu Tätern erklärt werden." Noch schärfer verurteilte Grünen-Chef Cem Özdemir den Zusammenhang von Terror und Flüchtlingswelle: "Ich halte es auf der nach unten offenen Richter-Skala für einen neuen Tiefpunkt, die Äußerungen von Herrn Söder aus Bayern, der sich nicht entblödet hat, diese schrecklichen Ereignisse von Paris für innenpolitische Zwecke zu missbrauchen."

Anschläge in Paris: Die blutige Spur des Terrors
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Tatort Paris – die blutige Spur des Terrors

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die gestern den Erdinger Fliegerhorst in Bayern besuchte, wo bis zu 5000 Flüchtlinge Aufnahme finden können, sagte: "Die Flüchtlinge aus Syrien sind vor dem barbarischen Terror geflohen." Zwar seien auch Kontrollen an den Grenzen und die Registrierung von Flüchtlingen notwendig, dies dürfe aber nichts an der freundlichen Aufnahme von Migranten ändern.

Auch die Kirchen mahnten zur Differenzierung in der Debatte: "Wir müssen sehr genau unterscheiden", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. "Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, fliehen doch gerade vor denen, die für den Terror in Paris verantwortlich sind." Mehr denn je sei jetzt besonnenes politisches Handeln gefordert. Sonst erreichten die Terroristen, was sie wollen, nämlich Hass und Zwietracht.

Unabhängig von den Terroranschlägen in Paris strebt die Bundesregierung an, den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa deutlich zu reduzieren. Dies soll über einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und über Vereinbarungen mit der Türkei geregelt werden. Ziel ist es, dass sich die Flüchtlinge nicht mehr aus den Lagern in der Türkei nach Europa aufmachen. Der großen Koalition schwebt vor, dass Deutschland dann noch weiter Flüchtlinge aufnimmt, aber über feste Kontingente, die wiederum über ein europäisches Verteilsystem festgelegt werden. In diesem Bemühen sind sich die drei Parteien der großen Koalition einig.

Weiter Streit herrscht über die Frage, ob damit auch eine Obergrenze festgelegt werden kann, wie viele Flüchtlinge Deutschland pro Jahr aufnimmt. Die CSU fordert dies erneut im Leitantrag für ihren Parteitag am kommenden Wochenende. Darin steht der eindeutige Satz: "Wir brauchen eine Obergrenze." Eben diese lehnen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ebenso klar ab.

Für die Kanzlerin ist die erneute Forderung der CSU ein Affront. Vor gut zwei Wochen hatten sich die Unionsparteien in einer zwölfstündigen Sitzung im Kanzleramt auf die Sprachregelung geeinigt, dass man den Flüchtlingszustrom reduzieren wolle. Selbst das Wort "begrenzen" vermied die CSU ein paar Tage, um den Frieden mit der CDU zu wahren. Nun sind die Christsozialen wieder bei ihrer Forderung nach einem Deckel, den Merkel so vehement ablehnt. Für die Kanzlerin eine heikle Lage: Sie hat zugesagt, am Freitag auf dem CSU-Parteitag zu sprechen. Ein Heimspiel wird es für sie nicht werden.

(qua)
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