Muhterem Aras Erste Muslimin an der Spitze eines Landtages

Stuttgart · Mit der Wahl Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin gibt es gleich zwei Premieren in Baden-Württemberg: Erstmals steht eine Frau an der Spitze und außerdem ist sie Muslimin. Ihre Wahl versteht sie als Signal für Weltoffenheit.

 Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

Foto: dpa, mut jhe

Mit der Wahl von Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin hat das Parlament in Baden-Württemberg ein Signal gesetzt. Die 50-Jährige ist bundesweit die erste Muslimin an der Spitze eines Landtags. Für die Grünen-Politikerin ist dies eine Anerkennung für ihren Erfolg bei der Landtagswahl. Die Stuttgarter Steuerberaterin und finanzpolitische Sprecherin ihrer Partei hatte mit 42,4 Prozent das beste Resultat im ganzen Land erzielt.

Eine politische Karriere war Aras nicht in die Wiege gelegt. Als eines von fünf Kindern kam sie mit ihrer Familie 1978 aus der Türkei nach Deutschland. Sie wuchs in einem anatolischen Dorf auf, "nicht behütet wie deutsche Kinder", sagt die Alevitin. "Ich habe keinen Kindergarten besucht, hatte keine Schere in der Hand, kannte weder Knete noch Buntpapier", erzählt sie. "Wir waren uns selbst und der Natur überlassen. Aber wir hatten eine unbeschwerte Kindheit."

Aras Eltern - der Vater war Arbeiter - wollten, dass es ihre Kinder einmal besser haben. "Bildung ist das Wichtigste", hieß es bei Aras zu Hause. So schaffte sie den Weg von der Hauptschule bis zum Abitur. Anschließend studierte sie Wirtschaftswissenschaften. 1999 gründete die zweifache Mutter ihr eigenes Steuerberatungsbüro mit derzeit 12 Mitarbeitern in Stuttgart-Mitte.

Sie selbst sieht in ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin ein "Zeichen weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus, ein Zeichen für Weltoffenheit, für Toleranz und für das Gelingen von Integration". In ihrer Antrittsrede fügte sie hinzu: "Ich werde sehr genau darauf achten, dass wir hier im Plenum respektvoll und fair miteinander umgehen, damit das Ansehen des Paraments nicht beschädigt wird."

Hintergrund ist auch, dass die Alternative für Deutschland (AfD) als drittstärkste Fraktion in den Landtag einzog. Die Rechtskonservativen haben Aras bei der Wahl vermutlich ihre Stimme verweigert. Als einzige Fraktion spendete die AfD der Neugewählten keinen Applaus, mit Ausnahme des Alterspräsidenten Heinrich Kuhn. Lediglich AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen gratuliert ihr mit Handschlag.

Aus ihrer Kindheit hat sich Aras ihr Faible für Schildkröten bewahrt - viele Kinder in Anatolien lieferten sich damals Wettrennen auf den großen Tieren. Bis heute schätzt sie deren Klugheit und Verlässlichkeit. In ihrer politischen Laufbahn jedoch hat sie ein Tempo vorgelegt, das wenig mit der Langsamkeit von Schildkröten zu tun hat.

1992 in die Grünen eingetreten, fuhr die zierliche Frau mit dem dunklen Pagenschnitt - über die Stationen Gemeinderat und Fraktionschefin - schon 2011 einen Riesenerfolg ein: Im urbanen Wahlkreis Stuttgart I holte sie damals das Direktmandat und bekam 42,5 Prozent der Stimmen. Damit war sie die bestplatzierte Grüne im Land. In diesem Jahr wurde sie dann erneut Stimmenkönigin der Grünen.

Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? "Entscheidend ist, was zwischen den Wahlkämpfen passiert", ist Aras überzeugt. Sie sei außerordentlich viel in ihrem Wahlkreis unterwegs, nicht nur vor Wahlen: Politik müsse man stets mit Leidenschaft machen.

In diesem Wahlkampf erhielt Aras tatkräftige Unterstützung von ihrer Mutter: Die hat das Telefonbuch zur Hand genommen und alle Bekannten und Verwandten angerufen, um sie an den Termin der Landtagswahl zu erinnern - und daran, dass ihre Tochter für die Grünen antritt.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort