Flüchtlingskrise München am Limit — "die Belastungsgrenze ist erreicht"

Berlin/München · Mehr als 15.000 neue Flüchtlinge kommen am Wochenende in München an. Die Stadt bewältigt den neuen Ansturm mit knapper Not. Politiker und Bundespolizei schlagen nun Alarm und sehen die Grenzen der Aufnahmefähigkeit in Deutschland erreicht.

Flüchtlingsandrang in München – Bilder vom Hauptbahnhof
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Flüchtlingsandrang in München

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Angesichts des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen sehen Politiker aus allen Lagern die Grenzen der Aufnahmefähigkeit in Deutschland erreicht. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warnten am Wochenende, dass Deutschland auf Dauer überfordert sein könnte. Allein in München kamen von Samstagmorgen bis zum Sonntagnachmittag erneut rund 16.000 Menschen aus Ungarn und Österreich an.

Vor allem aus den Bundesländern häufen sich die Hilferufe wegen mangelnder Unterbringungsmöglichkeiten. Vor dem EU-Innenministertreffen am Montag verstärkte die Bundesregierung den Druck auf europaweite Absprachen in der Flüchtlingskrise.

Innerhalb der letzen beiden Wochen sind damit allein in München 63.000 Flüchtlinge angekommen. In der Stadt endet derzeit die sogenannte Balkan-Route vieler Migranten. "Das entspricht einer Stadt wie Rosenheim, die hier durchgelaufen ist", sagte der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrandt. Erstmals mussten Flüchtlinge die Nacht auf Notlagern im Bahnhof verbringen. Ein Sonderzug brachte 500 Flüchtlinge Richtung Dortmund. Erstmals wurden auch reguläre ICE-Züge ausschließlich für die Weiterfahrt von Flüchtlingen reserviert.

Der Zustrom über die Balkan-Route hält anscheinend weiter an. Österreich rechnet nach Angaben eines Polizeisprechers am Sonntag mit der Ankunft von weiteren 6000 bis 8000 Flüchtlingen aus Ungarn. Der EU-Grenzstaat Ungarn will ab Dienstag die Grenze nach Serbien schließen und Flüchtlinge ab dann zurückschicken.

In Deutschland warnten auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), vor einer Überforderung. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte, das Tempo des Zuzugs müsse gedrosselt werden. "Sonst wird unser Land in eine Situation hineinkommen, wo die Hilfsbereiten sagen 'Wir schaffen das nicht mehr'."

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht Bayern angesichts des Flüchtlingsandrangs überfordert und hat mehr Solidarität der anderen Bundesländer eingefordert. "Die Belastungsgrenze in Bayern ist erreicht, teilweise auch deutlich überschritten", sagte Hasselfeldt unserer Redaktion. "Angesichts der anhaltend hohen Zahl von Flüchtlingen in Bayern und insbesondere München appelliere ich an die anderen Bundesländer, unbürokratisch zu helfen und Bayern deutlich mehr Flüchtlinge abzunehmen."

München: Flüchtlinge aus Budapest kommen am Hauptbahnhof an
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Flüchtlinge aus Budapest kommen in München an

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Hasselfeldt forderte auch "schnellstmöglich den Zustrom" zu begrenzen und dafür zu sorgen, "dass wieder weniger Menschen zu uns kommen". Es müsse alles dafür getan werden, dass die Außengrenzen der EU gesichert würden und die Länder unterstützt werden, "an deren Grenzen die Flüchtlinge als erstes ankommen". Hier sei besonders die EU gefordert.

Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung" eine "beinahe euphorische Darstellung in den Medien", die die Sorgen vieler Bürger unterschlage. Noch am Sonntagabend wollte das bayerische Landeskabinett zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Die Länder-Innenminister warnte vor einem Chaos bei der Unterbringung der Flüchtlinge und vor Sicherheitsrisiken. "Wir hätten Zeit für Vorbereitungen gebraucht", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Lewentz der "Welt am Sonntag" mit Blick auf den raschen Anstieg der Flüchtlingszahlen nach der Entscheidung der Bundesregierung am vergangenen Wochenende, Migranten aus Ungarn aufzunehmen. Die Länder seien "in großer Not, weil sie bei der Unterbringung von Flüchtlingen am Limit sind".

Berührende Bilder: Deutschland heißt Flüchtlinge willkommen
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Berührende Bilder: Deutschland heißt Flüchtlinge willkommen

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Foto: dpa, shp hpl

Bundeskanzlerin Merkel war am Wochenende vor allem aus der CSU wegen der Entscheidung hart kritisiert worden. Sie selbst und Gabriel verteidigten die Aufnahme dagegen. Der SPD-Chef betonte, dass sie in der Regierung auch abgesprochen gewesen sei. CSU-Chef Horst Seehofer hatte dies bestritten.

Der "Welt am Sonntag" zufolge ist auch das Bundeskriminalamt (BKA) bei der Überprüfung der Identität von Asylantragstellern völlig überlastet. Die Zahl der zu überprüfenden Fingerabdrücken sei nicht bewältigen. Der Abgleich soll klären, ob es sich um Straftäter oder Personen handele, die bereits in anderen EU-Staaten einen Asylantrag gestellt haben.

(REU)
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