Migrationsdebatte Junge Union provoziert Kanzlerin mit Flüchtlings-Obergrenze

Berlin · Die Union kommt in der Migrationsdebatte nicht zur Ruhe. Während die Jugend von CDU und CSU eine Obergrenze fordert, setzen die Senioren auf eine europäische Lösung.

 JU-Chef Paul Ziemiak.

JU-Chef Paul Ziemiak.

Foto: dpa, nar lof cdt

Wenn eine Kanzlerin mit einer von Erkältung gezeichneten Stimme in die Generaldebatte im Bundestag muss, ähnelt sie einem Boxer, der mit blauem Auge in den Ring steigt. So wirkte Angela Merkel angeschlagen, aber kämpferisch. In normalen Zeiten hätte sie mit der leichten Überheblichkeit der Regierenden die "schwarze Null" preisen und die Pflegereform loben können. Die Zeiten sind aber nicht normal. Merkel musste sich mit dem Terror in der Welt auseinandersetzen und insbesondere wieder einmal ihre Flüchtlingspolitik in den eigenen Reihen verteidigen.

Die Debatte um eine Obergrenze für Flüchtlinge reißt in der Union nicht ab. Merkel wies die Forderung aus der CSU und Teilen der CDU erneut zurück: "Die simple Abschottung wird uns das Problem nicht lösen." Zugleich ließ sie ein solches Szenario als Drohung erstmals durchblicken. Sie verknüpfte den Fortbestand der Reisefreiheit durch das Schengen-Abkommen in Europa mit einer solidarischen Lösung bei der Flüchtlingsverteilung in Europa. Die "Bereitschaft zu einem permanenten Verteilungsmechanismus" sei nicht "irgendeine Petitesse, sondern die Frage, ob wir Schengen noch auf Dauer aufrechterhalten können".

Die große Koalition ist sich einig, dass die Flüchtlingskrise über eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa nach festen Kontingenten gelöst werden sollte. Kanzlerin Merkel will sich beim Türkei-EU-Gipfel am Wochenende dafür einsetzen, dass die Flüchtlinge nur noch über festgelegte Kontingente nach Europa kommen und dort nach Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsstärke auf die Länder verteilt werden. Eine solche Lösung gilt angesichts des Widerstands etlicher EU-Staaten als kaum erreichbar.

Angesichts der mäßigen Aussichten auf das Gelingen einer europäischen Lösung fordert ein Teil der Union, Obergrenzen einzuführen. "Wir benötigen eine Obergrenze, bis andere, europäische Lösungen ausgehandelt sind", sagte JU-Chef Paul Ziemiak unserer Redaktion. "Wenn diese Obergrenze erreicht ist, müssen wir bei weiteren Flüchtlingen das bisherige Dublin-Verfahren wieder zur Anwendung bringen. Wir müssen auch ehrlicher sein in der Frage, wer noch kommen kann." Die Junge Union will beim Parteitag Mitte Dezember einen Antrag zur Abstimmung stellen, in dem sie eine solche Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland fordert. Aus dem Antragspapier geht hervor, dass die Höhe der Obergrenze von einem "runden Tisch" festgelegt werden soll, an dem Bund, Länder, kommunale Spitzenverbände, Sicherheitsbehörden und Hilfsorganisationen sitzen.

In der Union sind die Jungen und die Senioren oft einer Meinung. In der Debatte um die Obergrenze widerspricht der Chef der Senioren-Union, Otto Wulff, allerdings. "Meine Meinung ist: Wir sollten in der Flüchtlingsfrage keine Obergrenze im nationalen Alleingang festlegen", sagte Wulff unserer Redaktion. "Wir brauchen vielmehr eine gemeinsame europäische Lösung, über die wir zu einer europäischen Obergrenze kommen", betonte er. Durch weitere nationalstaatliche Alleingänge in der Flüchtlingsfrage drohe Europa auseinanderzubrechen. Der Bundesvorstand der Senioren-Union will in der kommenden Woche seine Position zu dem Thema festlegen.

In der Union ist derweil auch eine Debatte über die ständigen Streitereien zur Flüchtlingspolitik ausgebrochen. In den Gremien am Montag und Dienstag beklagten einige Führungsleute den Streit auf offener Bühne, und man verabredete sich, die negative Aufmerksamkeit wieder mehr auf die SPD zu lenken. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte im ZDF davor, dass der Streit in der Union die AfD stärke. In dieser Woche ist einer Forsa-Umfrage zufolge die Zustimmung für die Union bei der Sonntagsfrage allerdings um drei Prozentpunkte auf 39 Prozent gestiegen.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort