SPD-Chef Martin Schulz "Ich liebe meine Frau heute fast noch mehr als damals"

Berlin · SPD-Chef Martin Schulz gab in einer Talkrunde viel Privates preis. Anderen schadete so etwas schon.

 Martin Schulz mit seiner Frau Inge 2016 in Aachen. Fünf Tage nach ihrem Kennenlernen seien sie 1985 zusammengezogen, erzählte Schulz jetzt.

Martin Schulz mit seiner Frau Inge 2016 in Aachen. Fünf Tage nach ihrem Kennenlernen seien sie 1985 zusammengezogen, erzählte Schulz jetzt.

Foto: dpa

Noch einmal geht es für Martin Schulz ein Stückchen bergab. Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat landet in einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage nur noch auf Platz fünf der beliebtesten Politiker. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die er im September beerben will, führt hingegen das Ranking an - und auch Außenminister Sigmar Gabriel, dem Schulz an der SPD-Spitze nachfolgte, liegt vor dem Bewerber aus Würselen.

"Die Meinungsumfragen sind derzeit kein Hochgenuss für mich", bekennt Martin Schulz am Montagabend in einer Talkrunde der Zeitschrift "Brigitte". Das Gesprächsformat im Berliner Maxim-Gorki-Theater sollte Schulz von einer Seite zeigen, "die Sie noch nicht kennen", wie es von den Veranstaltern vorher hieß. Und Schulz sei die "kleine männliche Ausnahme", sonst würden nur Frauen befragt, die als Vorbild dienen - etwa Angela Merkel.

"Agenda oder Angela?"

Martin Schulz nimmt es sportlich, hält sich wacker an die Verabredung, jeweils einen von zwei Begriffen auszuwählen. "Agenda oder Angela?" Angela, sagt Schulz und gesteht, von ihr könne er lernen, "Nerven zu behalten". Die zumeist weiblichen Zuschauer klatschen.

"Rausch oder Genuss?" Genuss! Anfangs wirkt Schulz sichtlich angespannt, antwortet teils verkrampft. Was denn ein Genuss für ihn sei, wollen Chefredakteurin Brigitte Huber und Kultur-Ressortleiterin Meike Dinklage von Schulz wissen. Im Hintergrund wird ein Foto eingeblendet, wie er an einer Imbissbude Pommes mit Currywurst verzehrt. Im Saal ist Lachen zu hören, Schulz dreht sich zum Foto um und sagt, er wisse, dass das in Saarlouis gewesen sei - denn dort habe er eine zweite Portion Pommes bekommen. Wieder Lachen, Schulz lächelt kaum merklich und gibt seine Antwort auf die Frage: "Rinderroulade nach dem Rezept meiner Schwiegermutter", der Garten, den seine Frau Inge als Landschaftsarchitektin so schön gestaltet habe, sonntägliches Ausschlafen und die Landschaft und Kultur der Bretagne im Westen Frankreichs.

Schulz, der an diesem Abend offen über seine überwundene Alkoholsucht im Alter von 24 Jahren und die Psychotherapie spricht ("Der Alkohol hätte mich getötet"), begann nach einer Ausbildung zum Buchhändler seine politische Karriere mit Anfang 30 als Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Würselen. Nahe der Grenze zu Belgien und den Niederlanden, geprägt vom Bergbau, bleib Schulz seiner Heimat treu. Noch heute wohnt er dort. Schulz machte sich in der SPD schnell einen Namen, stieg im Europaparlament bis zum Präsidenten auf. Keiner sitzt länger im SPD-Parteivorstand (seit 1999). Und nachdem ihm Gabriel das Rennen überließ, will er nun Kanzler werden.

"Wie Söhne halt so mit Vätern umgehen"

Ständehaus-Treff mit Martin Schulz in Düsseldorf
28 Bilder

Ständehaus-Treff mit Martin Schulz in Düsseldorf

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Foto: Bretz, Andreas

Den Wählern einen ungewohnten Blick ins Privatleben zu ermöglichen, ist vor allem im Wahlkampf eine beliebte Strategie von Politikern. Sie nutzen die große Nachfrage der Medien, besuchen Talkrunden, geben lange Interviews oder ermöglichen bilderreiche Homestorys in Boulevardmedien.

Die Zugänge sind je nach Person unterschiedlich, das Maß an Erfolg ebenfalls. Merkel, die noch keine Fotojournalisten in die eigene Wohnung ließ, gab zumindest beim "Brigitte"-Format eingeschränkt Auskunft, Urlaubsfotos von ihr stammen jedoch fast ausschließlich von Paparazzi. Ganz anders Außenminister Sigmar Gabriel, der als SPD-Chef mehrfach Foto- und Fernsehjournalisten in seinen Garten in Goslar einlud, samt Aufnahmen von Ehefrau Anke und der ersten gemeinsamen Tochter Marie. Gabriel nutzten solche Formate eher, seinem Parteifreund Heiko Maas weniger. Der Bundesjustizminister hatte dem Boulevard nach seiner Trennung private Einblicke in das Leben mit der Schauspielerin Natalia Wörner gewährt und erntete wenig Zuspruch.

Schulz machte nun einen ersten Einstieg mit der Talkrunde, die Zuschauer dankten es ihm. Er habe - wenn auch nicht gänzlich entspannt - der Situation entsprechend glaubwürdig, offen, nahbar gewirkt, sagten manche hinterher. Und tatsächlich gab er Informationen preis, die für viele im Publikum neu waren. Etwa dass ihn seine 27-jährige Tochter, die auch in der SPD ist, für einen "strammen Rechten" in der Partei halte. Schulz wies das jedoch lachend als "völlig falsch" zurück. Und sein Sohn (30) sei zwar nicht in der Partei, halte ihn aber "manchmal für ein bisschen gaga". "Wie Söhne halt so mit Vätern umgehen", fügte Schulz hinzu.

Die Ehe mit seiner Frau bezeichnete er als Liebesheirat. Sie hätten sich im Mai 1985 kennengelernt, fünf Tage später seien sie zusammengezogen, und im November hätten sie geheiratet. "Ich würde sagen, ich liebe meine Frau heute fast noch mehr als damals", sagte Schulz. Sie sei es, die ihm in persönlichen Tiefpunkten das sage, "was man einem Typen wie mir dann sagen muss". Schulz, eingefleischter Fan des 1. FC Köln, wird in dieser Woche noch ein selbst verfasstes Buch vorstellen. Titel: "Was mir wichtig ist". Auch darin beleuchtet er teils sein Privatleben. Schulz muss jetzt in die Offensive gehen.

(jd)
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