G20-Gipfel in Hamburg Marktwirtschaft ist Frauensache

Beim G20-Gipfel haben die Staats- und Regierungschefs einen Fonds zur Förderung von Unternehmerinnen in Entwicklungsländern aufgelegt. Es ist das vielleicht erstaunlichste Ergebnis des Treffens in Hamburg. Politisch ist das Signal richtig und überfällig.

 Gute Stimmung in Hamburg: Der Präsident der Weltbank, Jim Yong Kim, Ivanka Trump und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde.

Gute Stimmung in Hamburg: Der Präsident der Weltbank, Jim Yong Kim, Ivanka Trump und die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde.

Foto: dpa, axs

Am Anfang des wirtschaftlichen Aufbruchs der Welt standen Frauen. Die Witwen der großen niederländischen Handelskaufleute leisteten im 17. und 18. Jahrhundert einen oft unterschätzten Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des damals fortschrittlichsten Landes der Welt. Danach gingen Industrialisierung und Kapitalismus an den Frauen im Wesentlichen vorbei. Beim Aufbruch der Dritten Welt zu mehr Wohlstand, Stabilität und Entwicklung soll sich dieser Fehler nicht wiederholen. Auch das ist — vielleicht das erstaunlichste — Ergebnis des G20-Gipfels in Hamburg, der ansonsten eher vom Ausbruch männlicher Gewalt geprägt war.

"Historisches Ereignis"

Es sind höchst unterschiedliche Länder, die sich zur kapitalistischen Frauenförderung in Lateinamerika, Afrika und Asien zusammengefunden haben: USA, Deutschland, China, die progressiven Industrieländer Kanada, Norwegen und Niederlande genauso wie die eher männerdominierten Länder Japan und Saudi-Arabien. Ein "historisches Ereignis" nennt es ausgerechnet US-Präsident Donald Trump, dass die Weltbank bei diesen und anderen Ländern insgesamt 325 Millionen Dollar (290 Millionen Euro) einsammeln konnte, um Frauen einen besseren Zugang zu Kredit und Kapital zu ermöglichen. Allein die USA steuern 50 Millionen Dollar (44 Millionen Euro) bei, die Deutschen etwas weniger. "Wir müssen endlich aufhören, das Geld den Männern zu geben", bekennt Weltbankpräsident Jim Yong Kim, dessen Organisation den Fonds verwaltet und der verspricht, dass vor allem Frauen über die Vergabe der Mittel entscheiden sollen. Tatsächlich besitzen die Frauen weltweit ein Drittel aller Unternehmen, haben aber nur Zugang zu zehn Prozent der finanziellen Ressourcen, wie die Weltbank herausgefunden hat. Ob sich das durch den neuen Fonds grundsätzlich ändert, darf angezweifelt werden. Selbst wenn die Finanzspritzen der Weltbank zu Krediten von weiteren 3,2 Milliarden Dollar (2,9 Milliarden Euro) führten, wie Kim schätzt, dürfte es bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Dass Frauen im Wirtschaftsleben benachteiligt sind - in der industrialisierten wie in der unterentwickelten Welt - macht Präsidententochter Ivanka Trump klar, die sich maßgeblich für den Fonds starkmachte. "Wir sind von Geschlechtergleichheit weit entfernt. Frauen verdienen weltweit rund 300 Milliarden Dollar weniger als ihnen zustünde", beklagt die selbstbewusste Unternehmerin. Und selbst Donald Trump ("Ich bin stolz auf meine Tochter") meint in seiner Dankesrede, dass es für Ivanka Trump "so viel einfacher wäre, wenn sie nicht meine Tochter wäre". Immerhin sind sich alle bei der Vorstellung des Fonds einig, egal ob Männer oder Frauen, dass nichts so lukrativ sei, wie in Frauen zu investieren. "Studie um Studie beweist, dass die Frauen besser mit Krediten umgehen als Männer, dass mit ihnen sich Wirtschaft und Unternehmen besser entwickeln". Dabei geht es um knallharte wirtschaftliche Ziele. "Wir suchen den Profit", meint Nthabiseng Legoete, eine erfolgreiche südafrikanische Unternehmerin, die jeden Tag 500 Menschen mit medizinischen Dienstleistungen versorgt. Die Südafrikanerin will verdienen und ist damit gleichzeitig sozial aktiv. Sie macht aber auch klar: "Wir sind keine gemeiwohlorientierte Nichtregierungsorganisation."

Schattenwirtschaft

Genauso sieht es ihre Unternehmer-Kollegin aus Marokko, Meriem Bensalah, die zu den ganz großen Firmeneigentümerinnen ihres Landes zählt und andere Frauen mit Mikrokrediten unterstützt. "Die Firmen der Frauen sind vor allem in der Schattenwirtschaft aktiv. Es ist für solche Frauen gerade in unserer Region immens schwierig, Zugang zu den offiziellen Märkten zu finden." In vielen Ländern der Dritten Welt fehlt Frauen zudem das Geld zur Unternehmensgründung und zur Weiterentwicklung ihres Geschäftsmodells. Das wirft sie oft gegenüber männlichen Konkurrenten und männerdominierten staatlichen Unternehmen zurück.

So sind sich auch alle Teilnehmer einig, dass Frauen besseren Zugang zu Geld, Bildung und Märkten benötigen, um wirtschaftlich selbstständig und erfolgreich zu sein. "Wir sind hier noch ganz am Anfang", meint auch die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die wirtschaftliche Diskriminierung am eigenen Leib als Anwältin und Finanzexpertin erfahren hat. "In diesen Bereichen bricht es jetzt auf", glaubt die resolute Französin. "Das letzte Rückzugsgebiet der Männer ist die digitale Welt, die noch völlig von ihnen dominiert ist."

Die spätberufene Feministin

Es fehlt also nicht am Willen, die globale Marktwirtschaft weiblicher zu machen. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, die auf die feministische Agenda ihrer Regierung in der Entwicklungspolitik verwies, sieht ebenfalls noch große Teile der Wirtschaft - in der entwickelten wie der ärmeren Welt - in der Hand von Männern. "Das geht von den großen Unternehmen bis hin zu Gründerregionen wie Silicon Valley." Die Expertinnen und Experten machen sich deshalb für eine stärkere Befähigung und Ertüchtigung der Frauen für den globalen Wettbewerb stark. Und es geht ihnen vor allem um den privaten Sektor, also die klassische Marktwirtschaft, in der die Frauen stärker werden müssen.

Und da kommt es wieder zu den ganz klassischen Konflikten - der Ausbildung für Frauen und der Frage der Kindererziehung. "Wir brauchen flexible Arbeitszeiten und eine bezahlbare Betreuung der Kinder", umreißt die südafrikanische Unternehmerin Legoete die Forderungen der Frauen weltweit. Das klingt vertraut - auch aus der Diskussion hierzulande. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist hingegen recht zuversichtlich, dass das erste Unternehmerinnen-Programm der Weltbank die globale Marktwirtschaft weiblicher macht. "Selbstbewusste Frauen werden ihren Weg finden", gibt sie sich optimistisch. "Und wenn die argentinische Präsidentschaft des G20-Gipfels in einem Jahr Bilanz zieht, werden wir schon erste Ergebnisse haben." Als spätberufene Feministin hat die Kanzlerin nun auch die globale Frauenförderung entdeckt.

(kes)
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