Manuela Schwesig im Interview "Wir werden die Frauenquote weiter verschärfen"

Berlin · Familienministerin Schwesig spricht im Interview über Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen, die neue SPD-Hoffnung Schulz und die Politik von NRW-Ministerpräsidentin Kraft.

 "Martin Schulz hat die Fähigkeit, Menschen wieder für Politik zu begeistern": Manuela Schwesig.

"Martin Schulz hat die Fähigkeit, Menschen wieder für Politik zu begeistern": Manuela Schwesig.

Foto: dpa, fis tba

Wir treffen Familienministerin Manuela Schwesig im Abgeordneten-Restaurant des Bundestags. Es liegt auf derselben Ebene, wo sich auch die Eingänge zum Plenarsaal befinden. In einer Stunde wird der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vereidigt. Wir haben Zeit, bis der Ton erklingt, der die Parlamentarier in den Saal ruft.

Frau Schwesig, was hat Martin Schulz, das der Sozialdemokratie in den letzten zehn Jahren fehlte?

Schwesig Martin Schulz hat die Fähigkeit, Menschen wieder für Politik zu begeistern. Die Grundlage dafür ist auch, dass die Sozialdemokratie an Vertrauen zurückgewonnen und glaubwürdig durchgesetzt hat, was wir versprochen haben. Die SPD ist das moderne Gesicht dieser Regierung. Die Union ist wie ein Klotz am Bein, wenn es um die Modernisierung der Gesellschaft geht.

Wenn die SPD schon so viel durchsetzen konnte, warum sind die Menschen dann so unzufrieden?

Schwesig Wir haben viele Verbesserungen erreicht, auch gegen Widerstände der Union. Aber das hat eben Grenzen. Wir konnten zum Beispiel das ElterngeldPlus einführen, eine wichtige Unterstützung für Familien. Aber der große Wurf wie der Ausbau der Ganztagsschulen oder die Einführung einer Familienarbeitszeit ist mit der Union nicht zu machen.

Wie sieht Ihr Konzept zur Familienarbeitszeit aus?

Schwesig Wir wollen berufstätige Frauen und Männer besser unterstützen, die mehr Zeit für ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige benötigen. Das Elterngeld hilft bislang nur Familien mit unter zweijährigen Kindern. Danach gibt es keine weitere Unterstützung für Familien. Im Pflegebereich gibt es die zehntätige Auszeit mit einer finanziellen Leistung, aber auch das reicht nicht. Hier soll die Idee der Familienarbeitszeit ansetzen.

Soll die Familienarbeitszeit auch das Erwerbsverhalten von Männern und Frauen stärker angleichen?

Schwesig Wie sich Eltern Kinder-Erziehung und Erwerbsarbeit aufteilen, ist ihre Sache. Wir sehen aber die Bedürfnisse vieler Männer, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Männer legen heute stärker als vor einigen Jahren Wert darauf, dass die Politik die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt. Sie wollen als berufstätige Väter mehr Chancen haben, Auszeiten zu nehmen. Gleichzeitig möchten viele Frauen ihre Erwerbstätigkeit ausweiten. Die Familienarbeitszeit ist die Antwort darauf.

Was wird das den Staat kosten?

Schwesig Wir müssen die Familien in ihren Wünschen nach einer besseren Vereinbarkeit unterstützen. Berufstätige Frauen und Männer tragen zu den hohen Steuereinkommen und den Sozialversicherungsbeiträgen bei. Dann ist es auch nur gerecht, wenn sie daraus unterstützt werden.

Eine Bilanz zur Frauenquote zeigt: Wo Unternehmen sich selbst eine Quote für den Frauenanteil in Führungspositionen gesetzt haben, bewegt sich wenig. Wollen Sie gesetzlich nachbessern?

Schwesig Die gute Nachricht ist: Das Gesetz wirkt. Es zeigt, dass es da, wo wir verbindliche Quoten vorschreiben, auch mehr Frauen in Führungspositionen gibt. Aber wir sehen auch, dass dort wo wir den Firmen Spielräume gelassen haben, ein Großteil nichts macht. Die Unternehmen, die meinen, sie können sich mit Nichtstun aus der Verantwortung stehlen, provozieren, dass wir uns das Gesetz zur Frauenquote in der nächsten Legislaturperiode wieder vornehmen und weiter verschärfen. Wir müssten dann die gesetzliche verbindliche Frauenquote auf insgesamt mehr Unternehmen ausweiten.

Viele Frauen in Vorständen mussten in letzter Zeit wieder gehen. Haben sie es schwerer sich oben zu halten?

Schwesig Die Gründe sind unterschiedlich. Allerdings fällt auf, dass es als unproblematisch angesehen wird, wenn Männer ausscheiden. Es ist wichtig, dass Frauen im Führungsgremium nicht ganz allein unter Männern sind. Wenn es mehrere Frauen dort gibt, stützt das die Position der Frauen.

Gehen Sie davon aus , dass Sie das Gesetz zur Lohngleichheit in dieser Wahlperiode durchbekommen?

Schwesig Ja. Das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern soll nächste Woche im Bundestag beschlossen werden. Das ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Lohnlücke von 21 Prozent zu schließen. Künftig wird es einen Rechtsanspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Unternehmen ab 200 Mitarbeitern geben, zu erfahren, ob sie im Vergleich mit mindestens sechs Kollegen gleichermaßen eingestuft sind oder ob es da Unterschiede gibt.

Wie wirksam wird das Gesetz sein, wenn Unternehmen ab 200 Mitarbeitern betroffen sind?

Schwesig Das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" gilt für alle Arbeitnehmer, unabhängig von der Unternehmensgröße. Die Lohnlücke ist gerade in größeren Unternehmen größer - sie reicht dort bis zu 25 Prozent. Die Lohnlücke wurde für viele Jahre einfach als gegeben hingenommen. Durch dieses Gesetz geben wir den Anstoß, dass die Sozialpartner, Unternehmen wie Gewerkschaften, genauer hinschauen.

Sie wollen die Gebührenfreiheit bei Kitas einführen. Wie wollen Sie das hinbekommen?

Schwesig Der Bund soll stärker in die Kita-Finanzierung einsteigen und damit die Kitas für alle Altersgruppen von null bis sechs Jahre gebührenfrei machen.

Allein für die Drei- bis Sechsjährigen kostet das sechs Milliarden Euro . . .

Schwesig Nein. Diese Zahl ist viel zu hoch. Nach unseren Berechnungen durch die TU Dortmund gehen wir von Kosten von etwas mehr als 3,5 Milliarden Euro aus. Wir prüfen gerade, wie viel ein Kita-Bundesprogramm konkret kosten würde. Die Abschaffung der Kitagebühren wäre eine wirksame Entlastung der Familien.

Martin Schulz hat sich das Vorhaben der NRW-Ministerpräsidentin zu Eigen gemacht - kein Kind zurücklassen. Ist das auch Ihre Devise?

Schwesig Ja, selbstverständlich

Was tut der Bund dafür?

Schwesig Wir haben mit der Anhebung des Kinderzuschlages, der Erhöhung des Steuerfreibetrags für Alleinerziehende und die Sprachförderung in den Kitas nun wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht. Auch die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende bekämpft gezielt Kinderarmut. Unsere Pläne für kostenlose Kita-Betreuung und einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz auch für Schulkinder

Warum ist es in NRW noch nicht gelungen, die Kinderarmut deutlich zu senken?

Schwesig Kinder sind dann arm, wenn ihre Eltern arm sind. Da müssen wir ansetzen. Etwa indem wir Alleinerziehende unterstützen. Die Landesregierung in NRW setzt mit dem Projekt "Kein Kind zurücklassen" erfolgreich mit einer vorbeugenden Politik an. Da werden Strukturen verändert um zu verhindern, dass Armut vererbt wird und die Chancen der Kinder steigen.

Wenn es eine rot-rot-grüne Mehrheit nach der Bundestagswahl gibt: Wird es die SPD dieses Mal wagen?

Schwesig Wir legen uns auf keine Koalition vor der Wahl fest. Wir beantworten die Frage, in welche Koalition wir gehen, nach dem 24. September wenn wir die konkreten Wahlergebnisse kennen. Ziel ist es, mit Martin Schulz den Kanzler einer starken und stabilen Regierung zu stellen.

(mar / qua)
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