Angst um Koalitionsfähigkeit Linke streiten um eigenes Programm

Berlin (RPO). Nach drei Jahren Arbeit hat die Linkspartei ein eigenes Programm auf die Beine gestellt. Offenbar macht der Entwurf nicht alle Parteimitglieder glücklich. Zahlreiche Führungskader meldeten am Tag nach der Präsentation öffentlich Änderungsbedarf an. Viele treibt die Sorge, dass die Partei im Osten ihre Regierungsfähigkeit verliert.

Oskar Lafontaine - Etappen seiner Karriere
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Foto: dpa/Alina Novopashina

Am Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linkspartei ist Kritik aus den eigenen Reihen laut geworden. "Da wird eine rote Linie markiert, dass wir uns an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen, Sozial- oder Arbeitsplatzabbau betreibt", sagte der Bundestagsabgeordnete Jan Korte der "tageszeitung" von Montag. "Wenn man diesen Satz eins zu eins nimmt, dürfte die Linkspartei in Brandenburg oder Berlin nicht regieren", kritisierte der Politiker, der bislang auch im Parteivorstand sitzt.

Der Thüringer Landesvorsitzende der Linken, Bodo Ramelow, sagte der "taz", Personalabbau dürfe kein k.o.-Kriterium für die Regierungsbeteiligungen der Linkspartei in den Ländern sein. So sei in Thüringen "dringend eine Verwaltungsreform mit massiven Umstruktrierungen in der mittleren Ebene und Personalabbau per Verrentung nötig". Das Programm müsse "da anders formuliert werden", sagte Ramelow.

Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Dietmar Bartsch, will ebenfalls Änderungen. "Dieser Entwurf ist verbesserungsfähig. Er wird auch verbessert werden", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Zur Frage der Regierungsbeteiligungen habe ich eine andere Position. Auch der Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, meldete Bedenken an. "Da sehe ich ein paar Dinge anders", sagte er dem Blatt. "Mitteldeutschen Zeitung". "Der Entwurf erweckt den Eindruck, als hätten wir die Welt in Ordnung gebracht, wenn wir das Privateigentum abschaffen."

Programm am Samstag vorgestellt

Der erste Entwurf für ein Grundsatzprogramm wurde am Samstag von den scheidenden Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vorgestellt. Bislang konnte die Partei, die 2007 aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei.PDS hervorgegangen war, nur auf programmatische Eckpunkte sowie Wahlprogramme verweisen. Kritiker vermuteten, der Verzicht auf grundsätzliche Festlegungen habe Methode. Auf diese Weise solle eine Zerreißprobe innerhalb der Partei, zwischen Reformern und Radikalen, zwischen Ost und West, vermieden werden, orakelten sie.

Wenn das Programm steht, werden Bisky und Lafontaine jedoch längst nicht mehr an vorderster Front stehen. Lafontaine tritt wegen seiner Erkrankung beim Parteitag im Mai in Rostock nicht wieder für das Amt des Vorsitzenden an, Bisky will auch nicht mehr - er will mehr Zeit für das Europaparlament haben. Ihre Nachfolger sollen Klaus Ernst und Gesine Lötzsch werden.

Lafontaines Vermächtnis

Der Programmentwurf trägt deutlich die Handschrift Lafontaines - und ist so eine Art politisches Vermächtnis an seine Partei. Gefordert wird in dem Entwurf die Überwindung des Kapitalismus hin zu einem "demokratischen Sozialismus". Dafür sollen unter anderem Banken und Energieunternehmen verstaatlicht werden. Darüber hinaus plädiert die Partei für Belegschaftsbeteiligungen, Volksbegehren und -entscheide, die Zurückdrängung des Lobbyismus, die Abschaffung der Nato, den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Es ist ein ganzes Sammelsurium an Positionen, die aufgelistet werden. In einigen Punkten werden dabei sogar Forderungen des radikalen Flügels der Partei übertroffen, beispielsweise, wenn nicht nur Banken, sondern sogar große Privatunternehmen in "gesellschaftliche Eigentumsformen" umgewandelt werden sollen. Der Entwurf legt zudem fest, die Linke werde sich "an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen vornimmt, Sozial- oder Arbeitsplatzabbau betreibt". Solche Positionen machen das Mitregieren eigentlich unmöglich.

Lafontaine und Bisky sehen durch das Programm die Koalitionsfähigkeit der Linken nach eigenen Worten nicht eingeschränkt. Gerade mit SPD und Grünen habe die Linke auf Landesebene viele Gemeinsamkeiten. Auf Bundesebene hingegen befanden die Linken-Chefs ein Bündnis für unwahrscheinlich.

(AP/AFP/ndi)
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