Alleingang von NRW gefordert Lehrer: Lerntests sind mangelhaft

(RP). Um die länderübergreifenden Lernstandserhebungen in Klasse 8 gibt es heftigen Ärger – wegen kaum verständlicher Texte, viel zu leichter und zu schwerer Aufgaben. Lehrer fordern eine bessere Beteiligung an der Ausarbeitung der Tests und notfalls einen Alleingang von NRW.

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(RP). Um die länderübergreifenden Lernstandserhebungen in Klasse 8 gibt es heftigen Ärger — wegen kaum verständlicher Texte, viel zu leichter und zu schwerer Aufgaben. Lehrer fordern eine bessere Beteiligung an der Ausarbeitung der Tests und notfalls einen Alleingang von NRW.

Auch im zweiten Jahr der länderübergreifenden Lernstandserhebungen in Klasse 8 gibt es massive Kritik an den Aufgaben. Die Tests seien zu wenig auf den Wissensstand der Schüler zugeschnitten, sagen Lehrer. Anlass des Unmuts ist etwa der Mathematik-Test für Realschulen. Dort werden in einer Aufgabe Fähigkeiten erwartet, die laut Lösungszettel dem Niveau von Klasse 10 entsprechen. An anderer Stelle ist dagegen nur die Differenz zwischen einstelligen negativen und einstelligen positiven Temperaturen zu berechnen.

Seit 2009 werden die Lerntests zentral durchgeführt, um den Bildungsstand in mehreren Bundesländern zu vergleichen. 2010 beteiligen sich außer Baden-Württemberg alle Länder. In NRW haben in den vergangenen Wochen 180.000 Achtklässler an Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien 90-minütige (Deutsch, Mathematik) oder 60-minütige Tests (Englisch, Französisch) geschrieben.

"Die betroffenen Kollegen haben geschäumt", berichtet Brigitte Balbach, Vorsitzende des Realschullehrerverbands NRW. Die Aufgaben seien "viel zu schematisch": "Der Blick auf Lehrer und Schüler ist unzureichend." Die Deutsch-Aufgabe zum Hörverstehen sei wegen ihrer niedrigen Tonqualität sehr schlecht zu verstehen gewesen. Zudem hätten Musik im Hintergrund und ein ostdeutscher Akzent das Verstehen des Textes erschwert, kritisiert Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands NRW.

"Lernstandserhebungen sind ein Witz"

Einerseits Unterforderung, andererseits unverständliche oder zu schwere Aufgaben — offenbar kein Einzelfall: "Für gute Schüler sind die Lernstandserhebungen ein Witz", sagt ein Münsteraner Mathematik-Lehrer. Balbach pflichtet dem bei: Es gebe reihenweise Kandidaten, die nach Vieren und Fünfen in Klassenarbeiten in den Tests mit Zwei abgeschnitten hätten. Zu hören ist auch, insgesamt sei der Englisch-Test "bis auf eine Aufgabe anspruchslos" gewesen. Man hoffe nun auf Handreichungen des Ministeriums zu Zweifelsfällen. Nach Ministeriums-Angaben gibt es eine Lernstands-Hotline für Schulen.

Die Aufgaben werden vom Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), das zur Humboldt-Universität gehört, konzipiert und vor den eigentlichen Erhebungen in mehreren Ländern getestet. Das NRW-Schulministerium hat nach eigenen Angaben Rückmeldungen zu dieser "Pilotierung" formuliert. Ob das berücksichtigt werde, liege aber in der Verantwortung des IQB.

In der Kritik stehen erneut auch die Auswertungsanleitungen für die Lehrer. In Deutsch und Englisch soll etwa über Grammatik- und Orthografiefehler hinweggesehen werden; stichpunktartige Antworten sollen akzeptiert werden. Für Englisch gelten auch Lösungen auf Deutsch als richtig, falls der Textinhalt verstanden worden ist.

An den Schulen herrsche "Unverständnis" über die Tests, sagt Philologenverbands-Chef Silbernagel. Er sei "sehr verärgert, dass das IQB offenbar nicht in der Lage ist, unangreifbare Aufgaben zu stellen". Notfalls müsse NRW aus der gemeinsamen Lernstandserhebung wieder aussteigen, fordert Silbernagel. Der Realschullehrerverband fordert bessere Beteiligung von Praktikern an der Erarbeitung der Aufgaben.

Das IQB verweigert jede Stellungnahme zu den Tests — die Institutsleitung habe gewechselt, man müsse sich zuerst einen Überblick über die Probleme verschaffen.

(RP)
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